Montag, 12. Dezember 2011

Bad Science 2011

Für diejenigen, die einen Einstieg in das Thema Plagiate suchen, sei (natürlich wiede einmal) der entsprechende Eintrag in Wikipedia empfohlen: Betrug und Fälschung in der Wissenschaft.

Vroni-Plag ist mittlerweile der Klassiker zum Thema. Die Dokumentation auf Wikipedia liefert eine gute Übersicht über bisher geprüfte Arbeiten.

Abbildung: Screenshot von Vroniplag
Spiegel online hat inzwischen eine eigene Kategorie für das Thema Forschungsskandale eingerichtet. Dort bekommt man einen recht guten Überblick was in Deutschland in diesem Jahr auf diesem Gebiet so los war. Hier nur zwei ausgewählte "Highlights":

  • Seit mehr als zwanzig Jahren gibt es Plagiatsvorwürfe gegen die Dissertation von Frau Margarita Mathiopoulos! Auf der Grundlage dieser Dissertation erhielt sie eine Honorarprofessur an der TU Braunschweig und eine weitere an der Universität Potsdam. Inzwischen ist der Inhalt dieser Dissertation bei Vroniplag gut dokumentiert. Ausführliche Berichte über den Fall findet man bei der online-Ausgabe der Frankfurter Allgemeinen und bei Spiegel-online. Inzwischen beschäftigt sich die Universtität Bonn ernsthaft mit den Plagiatsvorwürfen (Bericht bei Spiegel-online vom 19.12.11) und wir sind gespannt, wie die Sache ausgeht.
  • Die Berliner Charité hat sich zu ihrem 300. Geburtstag eine Festschrift von einem Ghostwriter schreiben lassen. Dieser hat den Inhalt des Buches wohl ohne große Skrupel aus anderen Quellen zusammen gebastelt. Als Herausgeber standen auf dem Buchdeckel allerdings drei leitende Angestellte der Charité. [Schon blöd, wenn man nicht aufpasst, was der Ghostwriter so zusammen schreibt, oder?] Die gesamte Auflage des Jubiläumsbandes wurde dann wohl vernichtet, eine teure Blamage für die Herren "Herausgeber" des Bandes.

Es existiert auch eine englischsprachige Webseite, genauer gesagt ein Blog, auf der zurückgezogene Arbeiten von internationalen Fachzeitschriften dokumentiert und kommentiert werden. Der Name der Webseite lautet: Retraction Watch. Die meisten Artikel stammen aus den "Life Sciences", es gibt aber auch eine Abteilung, die sich speziell den "Physical Sciences" widmet.

Sehr hilfreich und durscharbeitenswert ist der online-Kurs über Plagiate "Fremde Federn Finden" von Debora Weber-Wulff, Professorin an der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin. Überhaupt gibt es nur Wenige, die sich bisher als "Plagiatsjäger" geoutet haben. Das hängt sicher mit der Sorge vor beruflichen Nachteilen zusammen, in der akademischen Welt sieht man solche "Unruhestifter", die einfach mit ihren Befunden an die Öffentlichkeit gehen, vermutlich immer noch nicht so gerne. Man klärt Dinge lieber hinter verschlossenen Türen und belässt es vielleicht dann doch bei einer Rüge des Plagiators. Jeder aufgedeckte Plagiatsfall wirft ja zumindest auch ein schlechtes Licht auf den Betreuer, die Gutachter und die Prüfungskommission, die allesamt nichts bemerkt haben. Diejenigen die sich bisher zu einer Tätigkeit als Plagiatsjäger bekannt haben sind vor allem Frau Weber-Wulff,  "Goalgetter" Martin Heidingsfelder (der Gründer von "VroniPlag") und der Medienwissenschaftler Stefan Weber. Auf dem "Blog für wissenschaftliche Redlichkeit" von Stefan Weber finden sich immer wieder erheiternde und auch teilweise sprachlos machende Beispiele für Plagiate. Hier noch ein Link zu einem Bericht in "Zeit online"über Stefan Weber.

Freitag, 9. Dezember 2011

Vom Schmetterlingsflügel zum superschnellen Internet

Ein schillernder Schmetterlingsflügel, die changierenden Farben einer Vogelfeder und ein wunderschön glitzernder Opal haben eins gemeinsam: ihre besonderen Farbeffekte beruhen auf einer gemeinsamen Ursache.Winzige Strukturen im Nanometerbereich, die das Licht brechen und variieren. Physiker haben für diese Erscheinungen die wenig anschauliche Formulierung "photonische Kristalle" geprägt. Wikipedia liefert grundlegende Informationen zu dem Thema unter dem Stichwort Photonischer Kristall.
Mit Hilfe von photonischen Kristallen kann man optoelektronische Bauelemente, Festkörperlaser oder optische Wellenleiter konstruieren. Verwendung finden photonische Kristalle bereits bei der Herstellung von photonischen Kristallglasfasern für die schnelle Datenübertragung.   

Weitere Links findet man hier:
    Außerdem gibt es zahlreiche Dissertationen zum Thema. Meist findet man dort ein einleitendes Kapitel, in dem Grundlegendes zu photonischen Kristallen erklärt wird. Hier einige Beispiele:
    •  Dissertation von Richard Karel Capek Universität Hamburg, 2007, Titel: "Nanoteilchen in künstlichen Opalen: Einfluss auf die optischen und photonischen Eigenschaften" 
    • Dissertation von Axel Rumberg, Universität Stuttgart 2009, Titel: "Mikrowellenmodellierung von photonischen Kristallen und Metamaterialien für die optische Nachrichtentechnik"
    • Dissertation von Jörg Zimmermann an der Universität Würzburg, 2006, Titel: "Optische Wellenleiter und Filter in photonischen Kristallen auf Indiumphosphid-Basis"
    • Photonische Kristalle, Kapitel 2 der Dissertation von Kerstin Mitzschke, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, 2007, Titel: "Erzeugung der Dritten Harmonischen in Silizium und Photonischen Kristallen aus makroporösem Silizium im spektralen mittleren IR-Bereich"
    • Photonische Kristalle, Kapitel 2 aus der Dissertation von Stefan Richter Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg 2004 (Titel der Dissertation: "Periodische Punktdefektstrukturen und Quantenpunktemitter in zweidimensionalen photonischen Kristallen", Link zum gesamten Dokument 
    • Dissertation von Albert Birner, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg 2000, Titel: "Optische Wellenleiter und Mikroresonatoren in zweidimensionalen Photonischen Kristallen aus Makroporösem Silizium"
      Edelopal und Feueropal Schmetterling Pfau
      Quelle der Abbildung: Wikipedia Quelle der Abbildung: eigene Aufnahme Quelle der Abbildung: Wikipedia

      Dienstag, 22. November 2011

      Privatdozent


      Der sogenannte "nebenberufliche" Hochschullehrer. Eine vermiedene, aber nötige Kontroverse.

        Weitere Links:

      Sonntag, 20. November 2011

      Video und Kinofilm zu "The Radioactive Boy Scout"


      Vielleicht erinnert Ihr Euch noch an meine Posts über den "Radioactive Boy Scout". Die ganze Geschichte wird wahrscheinlich demnächst verfilmt, einen diesbezüglichen Eintrag in der Internet Movie Database gibt es schon. Also achtet auf die Ankündigungen in Eurem lokalen Kino!

      Es gibt auf Youtube ein kurzes Video über David Hahns Experimente als Vorschau ("Teaser") auf einen 20minütigen Dokumentarfilm . Nicht nachmachen! Auf keinen Fall diese Experimente zu Hause wiederholen!



      Zum Abschluß hier noch der Verweis auf den Blog Primaklima. Dort ist die ganze Story in Deutsch zusammen gefasst, außerdem noch ein Video von Duran Duran zum Thema. Auslöser der unseligen Geschichte war vermutlich das Streben von David Hahn nach dem Pfadfinderabzeichen für Atomenergie. Genauere Informationen über das "Boy Scouts of America Nuclear Merit Badge" gibt es auf dem Blog des National Museum of Nuclear Science and History in in Albuquerque, New Mexico. Dieses Pfadfinderabzeichen gibt es übrigens nicht mehr. Es wurde 2005 ersetzt durch das "Nuclear Science Energy Badge". Die genauen Bedingungen zum ordnungsgemäßen Erwerb dieses Abzeichens findet man auf der Homepage der Boy Scouts of America.  

      Samstag, 29. Oktober 2011

      Breaking Bad

      Die nächste Staffel von Breaking Bad läuft zur Zeit dienstags, ab 22.00 Uhr auf Arte. Nicht verpassen! Bisher kam wenig Chemie vor. Nur ein kurzer Disput in der Folge "Grünes Licht" zwischen Walter und Jesse über die richtige Art die Schiff-Base zum Amin zu reduzieren. Walter: "Was hast Du zur Reduktion genommen? Platindioxid?" [Gemeint ist wahrscheinlich Platindioxid als Katalysator plus Wasserstoff.] Jesse: "Nein, Quecksilber-Aluminium-Amalgam." Walter ist daraufhin sehr erbost, dass jemand es wagt seine Synthesen einfach nachzuarbeiten und dann auch noch eigenmächtig Änderungen an seiner Synthesevorschrift vornimmt. Die vollständige Synthese findet ihr in einem älteren Eintrag zum Thema. Oder ihr schaut euch alle Posts von mir zu diesem Themengebiet an.

      Einen Kommentar zu den Familienwerten in der Serie gibt es auf diesem Blog.

      Hier noch ein Zitat von Walter White: "Ich habe nur Respekt vor der Chemie. Die Chemie muss man respektieren." 

      Montag, 17. Oktober 2011

      Pac-Man fängt Uran ein.

      Menschen über 40 erinnern sich mit glänzenden Augen an ihre ersten Schritte mit dem Personal Computer. Damals Ende der 80er, Anfang der 90er Jahre (des 20. Jahrhunderts) gab es die ersten Computer, die auf einen Tisch passten. Die Zahl der Anwendungen war überschaubar, zu den ersten Programmen gehörten natürlich auch Spiele. Man erinnert sich an Tischtennis am PC (zwei weisse Balken waren die Schläger, ein Lichtpunkt der Ball), an Donkey Kong, Tetris und auf jeden Fall auch Pac-Man. Dieser süsse kleine gelbe Punkt (Abb. 1), der durch ein Labyrinth läuft und Früchte auffrisst feiert nunmehr Auferstehung in der chemischen Fachliteratur.
      Abb. 1: Pacman (aus der Erinnerung gezeichnet)

      Polly L. Arnold, Jason B. Love und weitere Mitarbeiter berichten in einer fortlaufenden Reihe von Artikeln über ihre Arbeiten mit dem "Pacman"-Liganden (Abb. 2). Dieser makrocyclische Ligand wir von den Autoren folgendermassen charakterisiert:"... a ditopic Schiff-base pyrrole macrocycle is described and is shown to adopt a Pacman wedge-shaped structure in which the uranyl dication is desymmetrised and sits solely in one N4-donor compartment to leave the other vacant." (Zitat aus P. L. Arnold, D. Patel, A.-F. Pécharman, C. Wilson and J. B. Love, Dalton Trans., 2010, 39, 3501-3508.  
      Abb. 2: Struktur des Liganden


      In ihren Artikeln beschreiben Sie, dass dieser Ligand in Lösung eine "Pacman"-artige Konformation einnimmt und in dieser Form in der Lage ist, ein oder zwei Metalle zu komplexieren. Abbildung  3 verdeutlicht die Vorstellungen der Autoren zur "Pacman-Topologie". Vor allem die Koordinationschemie des Urans ist im Hinblick auf Umweltrelevanz hoch interessant.
      Abb. 3: Koordination von zwei Metallatomen durch den Liganden (links) und  "Pacman"-artige Konformation (rechts).


      Hier noch einige weitere Literaturstellen:

      Donnerstag, 13. Oktober 2011

      Nuclear Science in Saxony

      Atomforschung in Sachsen

      Auszug aus der HOCHSCHULE-INFO der GRÜNE-Fraktion im Sächsischen Landtag vom 11. Oktober 2011 (wörtlich übernommenes Zitat):

      "Die GRÜNE-Fraktion fordert einen Ausstieg des Landes aus der staatlichen Unterstützung der Kernenergieforschung an sächsischen Hochschulen und sorgte damit für eine heiße Debatte im Landtag. Bei der Forderung handelt es keineswegs um ‚grüne Denkverbote’, sondern um legitime und notwendige Strukturentscheidungen. Die grundgesetzlich garantierte Wissenschaftsfreiheit stellt klar, dass nicht jede Wissenschaft automatisch Anspruch auf staatliche Förderung hat. Angesichts des Atomausstiegs macht es daher keinen Sinn, weiter an der Erforschung neuer Reaktoren zu fördern. Nach Auslaufen der bestehenden Professuren müssten diese umgewidmet werden. Die wissenschaftliche Begleitung der Abwicklung von Atomkraftwerken solle von den Atomkonzernen finanziert werden. Ebenso bleibt es ihnen freigestellt, über Stiftungsprofessuren die Reaktorforschung weiter zu betreiben. Aktivitäten in der gesundheitsorientierten Kernforschung sind aus grüner Sicht unumstritten und sollten weitergeführt werden. Die hier bestehenden Professuren am Forschungszentrum Rossendorf sollen nicht angetastet werden. Ein Nein zur Atomforschung ist ein Ja für eine Neuausrichtung der Energieforschung. Angesichts knapper Ressourcen muss das Land in die Zukunftsbereiche erneuerbare Energien, Energieeffizienz und Speicher investieren."

      In diesem Zusammenhang interessant ist die Antwort der sächsischen Staatsregierung auf die kleine Anfrage zur "Entwicklung der Kernforschung an Forschungseinrichtungen und Hochschulen im Freistaat Sachsen" (Drs 5/2426). Daraus geht hervor an welchen Einrichtungen in Sachsen Kernforschung betrieben wird, welche personellen und finanziellen Mittel dafür vom Land bereitgestellt werden und einiges mehr. Interessenten folgen diesem Link:  "Entwicklung der Kernforschung an Forschungseinrichtungen und Hochschulen im Freistaat Sachsen" (Drs 5/2426). Im Bericht werden unter anderem die Professur für Wasserstoff- und Kernenergietechnik der TU Dresden und die Hochschule Zittau/Görlitz (Fachgruppen zur Kerntechnik und nuklearen Strahlentechnik) genannt. Die Arbeiten am Forschungszentrum Dresden-Rossendorf finden Gnade in den Augen der Grünen-Fraktion, da es sich hierbei um "gesundheitsorientierte Kernforschung" handelt.
      Die Webseite der Professur für Wasserstoff- und Kernenergietechnik der TU Dresden wirkt professionell und ist informativ gestaltet. Die Forschungsgebiete (Innovative Materialien der Kerntechnik, Thermohydraulik, Reaktordynamik und gasgekühlte Reaktoren) werden kurz vorgestellt. Ich habe den Eindruck, dass man hier größtmögliche Offenheit, trotz oder gerade wegen der sensiblen Thematik praktiziert. Die Webseite der Fachgruppen zur Kerntechnik und nuklearen Strahlentechnik der Hochschule Zittau/Görlitz ist dagegen eher minimalistisch gehalten. Außer den Namen der Arbeitsgruppe und der Mitarbeiter erfährt man eigentlich nichts über die Arbeit dieser Forschergruppen. Den großartigsten Auftritt hingegen liefert das Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf. Dort wird gleich auf der Startseite unter der Rubrik Forschung gesagt was Sache ist: "Spitzenforschung am Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf". Nach dieser Überschrift kommen dann aber tatsächlich interessante und aussagekräftige Folgeseiten.


      Samstag, 1. Oktober 2011

      Zitate zur Chemie

      Das Zitate-Portal bietet für den Suchbegriff "Chemie" eine ganz brauchbare und unterhaltsame Auswahl an Zitaten. Bei Gutzitiert.de sieht es mit diesem Begriff eher mager aus. Es wird ein einziges Zitat von Carl Krauch angezeigt, das ist aber dafür knackig!

      Freitag, 23. September 2011



      Chemie-RUBIN 

      Hierbei handelt es sich um ein Sonderheft des Wissenschaftsmagazins der Ruhr-Universität Bochum zur Chemie. Die Artikel sind teilweise sehr interessant und lesenswert. Die Abbildung rechts zeigt beispielhaft einen Screenshot einer Seite aus dem Heft. Das gesamte Heft ist als Volltext unter diesem Link verfügbar!

      Dienstag, 17. Mai 2011

      Demnächst an dieser Stelle:
      • Welche Reaktortypen gibt es noch?
      • Wann kühlt man einen Atomreaktor mit flüssigem Natrium?
      • Was ist ein inhärent sicherer Atomreaktor? 
      Da ich im Moment wenig Zeit habe, verkünde ich hiermit erst einmal eine Sommerpause
      Die oben genannten Posts werden voraussichtlich erst im Herbst erscheinen.

      Ohnehin ist das Interesse an Atomreaktoren wieder etwas abgekühlt. In der Zeitung las ich, dass die "journalistische Halbwertszeit" eines wirklich wichtigen Ereignisses nur ca. einen Monat beträgt. Danach gerät das Ereignis auf die hinteren Seiten der Zeitungen oder verschwindet ganz aus den Nachrichten.

      Hier kommt noch das korrekte Zitat mit Anführungszeichen, Quellenangabe und allem was dazu gehört, damit niemand behauptet ich würde plagiieren: "Ach, Fukushima - Die mediale Halbwertszeit für Katastrophen beträgt ungefähr einen Monat. Dann ist aus der größten anzunehmenden Meldung eine Nebensache geworden." entnommen aus Frankfurter Allgemeine, Zeitung für Deutschland, 18.05.2011, Seite 1.


      Montag, 18. April 2011

      Journalist Wall of Shame


      Eine Sammlung journalistischer Fehler, Fehlinterpretationen und schlichter Lügen zum großen Erdbeben in Japan und dessen Folgen.  Inititator ist Andrew Woolner, der in Japan lebt.

      Die Liste wird als offenes Wiki-Projekt unter der Adresse  jpquake.wikispaces.com geführt.
      Seine Beweggründe erklärt Andrew Woolner hier.   


      Mittwoch, 13. April 2011

      Spaltprodukte

      Welche Spaltprodukte entstehen in einem Atomreaktor? Wie gefährlich sind diese für Menschen?

      Uranatome haben sehr viele Neutronen. Bei der Kernspaltung zur Energieerzeugung entstehen leichtere Atome. Diese sind häufig instabil und zerfallen weiter, in kleinere Atome.
      Die Gefährlichkeit eines Spaltproduktes hängt von verschiedenen Faktoren ab. Einige Faktoren kann ich hier aufzählen, allerdings ohne Gewähr auf Vollständigkeit:
      • Art der beim Zerfall entstehenden Strahlung
      • Beständigkeit des betreffenden Isotops, diese ist umgekehrt proportional zur Halbwertszeit des Zerfalls
      • Bioverfügbarkeit, d.h. wie leicht wird das Isotop vom Körper aufgenommen und dort evtl. auch eingelagert wird
      • Giftigkeit des Elements
      Weiterhin muss man noch beachten, dass Strahlung die verschiedenen Gewebe des Körpers in unterschiedlicher Weise schädigt. Während die Haut etwas mehr Strahlung aushält, sind z.B. Keimdrüsen besonders empfindlich. Die aufgenommene Strahlungsdosis sollte also noch entsprechend der verschiedenen Organe gewichtet werden. In diesem Zusammenhang wird  dann manchmal von effektiver Dosis gesprochen.

      Im Nachfolgenden werde ich Ihnen einige Isotope auflisten, die bei der Kernspaltung entstehen und im Zusammenhang mit dem Reaktorunfall von Fukushima immer wieder durch die Medien geistern. Dazu noch einige Erklärungen zur Gefährlichkeit.

      Cäsium
      Natürliches Cäsium besteht zu 100% aus dem Isotop 13355Cs. 
      Cäsium-137 (13755Cs, beta--Zerfall) hat eine Halbwertszeit von 30,23 Jahren.
      Cäsium-134 (13455Cs, beta--Zerfall) hat eine Halbwertszeit von 2,046 Jahren.
      Cäsium wird vom Körper leicht aufgenommen, da es in seinen Eigenschaften dem Kalium stark ähnelt. Kalium ist ein so genanntes Mengenelement. Wir nehmen dieses mit unserer Nahrung täglich auf und brauchen es zur Aufrechterhaltung der Membranpotenziale in unserem Körper, es ist ein essentielles Mineral.

      Strontium
      Beim Strontium gibt es vier natürlich vorkommende Isotope. Hauptanteil hat das Isotop 8838Sr mit 82,58 Gewichtsprozent.
      Künstlich erzeugtes Strontium-90 (9038Sr) hat eine Halbwertszeit von 28 Jahren und 289 Tagen und zerfällt unter beta--Zerfall. Das ebenfall künstliche Strontium-89 (8938Sr)   hat eine Halbwertszeit von 50 Tagen, 12 Stunden und 30 Minuten und zerfällt unter beta--Zerfall. 

      Dieses Element hat ähnliche Eigenschaften wie Calcium. Die meisten Strontiumverbindungen sind in Wasser gut löslich. Daher kann es vom Körper leicht aufgenommen werden und anstelle von Calcium in den Knochen eingelagert werden.

      Iod
      Natürlich vorkommendes Iod besteht ausschließlich aus dem Isotop 12753I.
      Das künstlich erzeugte 13153I  ("Iod-131") zerfällt etwa innerhalb einer Woche mit einer Halbwertszeit von 8,07 Tagen unter beta--Zerfall.
      Iod wird vom Körper leicht aufgenommen, gespeichert und zur Bildung des Schilddrüsenhormons verwendet. Das macht das Iod-131 so gefährlich.

      Xenon und Krypton
      Xenon-132 (13254Xe) hat eine Halbwertszeit von 5,27 Tagen und zerfällt unter  beta--Zerfall.   
      Krypton-85 (8536Xe, beta--Strahler) hat eine Halbwertszeit von 10,76 Jahren.
      Beides sind Edelgase, die als solche fast völlig unreaktiv sind und vom Körper daher nicht aufgenommen oder gespeichert werden können. Xenon-132 entweicht bei einer Beschädigung des Reaktorkerns Erstes und wird daher häufig als Indikator für Reaktorunfälle betrachtet.

      Tellur
      Tellur-132 (13252Te, beta--Strahler) hat eine Halbwertszeit von 3 Tagen.
      Das Element ist wenig flüchtig und wird vom Körper nur schlecht aufgenommen.Aus diesen Gründen ist es nicht ganz so gefährlich.

      Ruthenium
      Ruthenium-106  (10644Ru, beta--Strahler) hat eine Halbwertszeit von 1 Jahr, 8 Tagen und 10 Stunden.  
      Dieses Element ist ein Edelmetall. Als solches wird es vom Körper nur schlecht aufgenommen und kann als weniger gefährlich betrachtet werden. 


      Plutonium
      Plutonium-238 bis Plutonium-241sind allesamt giftige, radioaktive Schwermetalle.
      Da es sich hierbei um ein extrem schweres Element handelt, tritt dieses nur bei hohem Druck oder einer Explosion aus dem Reaktor aus und wird in der Luft nur über sehr kurze Strecken transportiert. Plutonium erzeugt alpha-Strahlung die die Haut nicht durchdringt und nur auf kurze Entfernung wirkt.
      Zwischen 1945 und 1962 wurden zahlreiche Kernwaffentests in der Atmosphäre durchgeführt. Dabei wurden auch große Mengen an Plutonium freigesetzt. Man schätzt, das dabei ca. 3 bis 5 Tonnen (!!!) Plutonium gleichmäßig über den Planeten verteilt wurden. Winzige Spuren dieses Elementes kann man daher heute an vielen Stellen der Erde nachweisen.


      Siehe auch den Wikipedia-Eintrag "Spaltprodukt".
      Ausführliche Informationen zu den verschiedenen Nukliden findet man auf den Seiten zum Periodensystem der Elemente von René Rausch. Die Seiten ziehen demnächst um nach www.periodensystem-online.de.

      Mittwoch, 30. März 2011

      Strahlendosis

      Beim Auftreffen auf Materie geben alpha-, beta- und gamma-Strahlen Energie ab. Dabei werden Atome und Moleküle angeregt oder sogar ionisiert. Daher wird radioaktive Strahlung auch als ionisierende Strahlung bezeichnet. Auch die Neutronenstrahlung wird zur ionisierenden Strahlung gezählt. Neutronen können zwar nicht direkt mit Elektronen der Elektronenhülle in Wechselwirkung treten, da sie elektrisch neutral sind, sie können jedoch über Reaktionen mit Atomkernen ionisierende Strahlen auslösen.

      Die ionisierende Strahlung verursacht physikalische, chemische und biologische Veränderungen in der durchstrahlten Materie. Zur genaueren Beschreibung der Wirkung ionisierender Strahlen wurde der Begriff der Strahlendosis eingeführt. Hierbei wird zwischen Energiedosis und Äquivalentdosis unterschieden. Diese beiden Begriffe möchte ich Ihnen nachfolgend erklären.

      Energiedosis
      Die Energiedosis D ist die je kg eines beliebigen Stoffes absorbierte Strahlungsenergie. Die Maßeinheit für die Energiedosis ist das Gray (Gy).  Ein Gray entspricht der absorbierten Energie von 1 J/kg.
      1Gy = 1 J/kg

      Äquivalentdosis
      Viel häufiger wird in letzter Zeit jedoch die Äquivalentdosis H diskutiert.Darunter versteht man die absorbierte Strahlungsenergie je Kilogramm biologischem Gewebe, die den gleichen biologischen Effekt hervorruft, wie 1 Gy gamma-Strahlung mit einer Energie der gamma-Strahlung von 200 keV.
      Da die einzelnen Strahlungsarten unterschiedlich starke biologische Wirkung haben, verwendet man zur Berechnung der Äquivalentdosis einen Strahlungswichtungsfaktor wR. Die Beziehung zur Berechnung der Äquivalentdosis sieht dann folgendermaßen aus:
      H =  wR . D
      Die Äquivalentdosis ist das Produkt aus Energiedosis D und Strahlungswichtungsfaktor wR. Die Einheit der Äquivalentdosis ist Sievert (Sv) und auch hier gilt die Umrechnung: 1 Sv = 1 J/kg. Häufig werden Millisievert angegeben, also tausendstel Sievert.

      Der Strahlungswichtungsfaktor trägt der unterschiedlich starken biologischen Wirkung der einzelnen Strahlungsarten Rechnung. Hier eine Übersicht über diese Wichtungsfaktoren für einige Strahlungsarten, ohne Anspruch auf Vollständigkeit. Wer es genauer wissen will, schaut bitte in die  Strahlenschutzverordnung der Bundesrepublik Deutschland. In der Anlage VI sind die Wichtungsfaktoren aufgelistet.

      Art der Strahlung Energie Strahlungswichtungsfaktor wR
       beta- und gamma-Strahlung  alle Energien  1
       Neutronen kleiner 10 keV  5
       Neutronen  10 bis 20 keV  10
       Neutronen  100 keV bis 2 MeV  20
       Neutronen  2 MeV bis 20 MeV  10
       Neutronen  größer 20 MeV  5
      alpha-Teilchen alle Energien 20


      Effektive Dosis
      Weiterhin muss man noch beachten, dass Strahlung die verschiedenen Gewebe des Körpers in unterschiedlicher Weise schädigt. Während die Haut etwas mehr Strahlung aushält, sind z.B. Keimdrüsen besonders empfindlich. Die aufgenommene Strahlungsdosis muss für eine genauere Abschätzung der Auswirkungen noch entsprechend der verschiedenen Organe gewichtet werden. In diesem Zusammenhang wird von effektiver Dosis gesprochen.

      Dienstag, 29. März 2011

      Radioaktivität

      Radioaktive Strahlung entsteht, wenn Atomkerne in kleinere Atomkerne zerfallen. Der Zerfall von Atomkernen kann unter Aussendung von alpha-, beta- oder gamma-Strahlung erfolgen. Normalerweise verwendet man die griechischen Buchstaben für alpha, beta und gamma. Das macht aber auf einer HTML-Seite Schwierigkeiten. Deshalb werde ich diese Begriffe hier immer ausschreiben.

      alpha-Zerfall
      Bei Atomkernen hoher Ordnungszahl tritt hauptsächlich alpha-Zerfall ein. Ein instabiler Atomkern zerfällt unter Aussendung eines doppelt positiv geladenen (also gleichsam "nackten") Heliumkerns mit dem physikalischen Symbol 42He. Dieses wird auch als alpha-Teilchen bezeichnet. Der beim Zerfall neu gebildete Kern besitzt eine um vier Einheiten geringere Massenzahl und eine um zwei Einheiten geringere Ordnungszahl.Ein Beispiel ist der Zerfall des Samariumisotps 14662Sm in Neodym (Isotop 14260Nd):   

      14662Sm   -->      14260Nd   +   42He   + 2,45 MeV 

      beta-Zerfall
      Der beta--Zerfall ist relativ häufig, beta+-Zerfall tritt seltener ein.Wenn ein Isotop Neutronenüberschuß besitzt, so kann es unter Aussendung von  beta--Strahlung zerfallen. Bei diesem Vorgang wird ein Neutron in ein Proton und eine Elektron (das beta--Teilchen)  umgewandelt:
      10n    --->   11p   +  e-  
      Das dabei entstehende Isotop hat eine um eine Einheit höhere Ordnungszahl und die gleiche Massenzahl.
      Es gibt ein Isotop des Goldes, welches als beta-Strahler wirkt. Dieses zerfällt unter Bildung eines Quecksilberisotops mit der gleichen Massenzahl aber einer um Eins höheren Ordnungszahl:

      19879Au     --->    19880Hg    +  e-    
      Der beta+-Zerfall tritt bei Neutronenmangel ein. Hierbei wird ein Proton in ein Neutron und ein Elektron-Neutrino umgewandelt:

      11p     --->     10n    +    e+
      In der Kernkraftwerkstechnik spielt diese Reaktion jedoch kaum eine Rolle.      

      gamma-Strahlen
      Gamma-Strahlen treten bei Kernumwandlungen meist zusätzlich zu anderen Strahlungsarten wie alpha- und beta-Strahlung auf. Diese elektromangnetische Strahlung entsteht durch den Übergang eines Atomkerns aus einem angeregten Zustand in einen niedrigeren Energiezustand oder in den Grundzustand. die Ordnungszahl und die Massenzahl des betreffenden Isotops ändern sich nicht bei der Aussendung von gamma-Strahlung.
       

      Sonntag, 20. März 2011

      Was geschah in Fukushima?

      Das Erdbeben
      Am 11. März 2011 ereignete sich ein großes Erdbeben vor der Pazifikküste im Osten Japans. Die Stärke des Erdbebens betrug entsprechend der Momenten-Magnitude Mw = 8,9. Es war das stärkste Beben in Japan seit Beginn der Erdbebenaufzeichnungen. Bereits zwei Tage vorher gab es ein Beben der Stärke 7,2. Beben dieser Stärke kommen in Japan häufiger vor. Die Momenten-Magnitude ist eine logarithmische Skale. Daher war das Erdbeben vom 11. März 50 mal stärker als das Vorbeben vom 9. März! Informationen zum Ablauf der Erdbeben finden Sie auf den Seiten des Geoforschungszentrums Potsdam.

      Der Reaktorunfall
      Bei den Atomreaktoren am Standort Fukushima handelt es sich um Siedewasserreaktoren (siehe Beitrag weiter unten "Aufbau eines Siedewasserreaktors"). Als das Erdbeben die Atomreaktoren am 11. März erreichte, wurden diese automatisch abgeschaltet. Wenige Sekunden nach Beginn des Erdbebens wurden die Steuerstäbe in die Reaktorblöcke eingefahren. Dies ist trotz Stromausfall über ein hydraulisches System möglich, bei dem die Energie zur Bewegung der Steuerstäbe in Drucktanks gespeichert ist (Fail-Safe-System). Die Leistung der Reaktoren fiel daraufhin auf ca. 7% der normalen Wärmeleistung. Die entstehende Restwärme muss weiterhin abgeführt werden. 
      Durch das Erdbeben kam es in den Kraftwerksanlagen zu einem Versagen der elektrischen Energieversorgung. Die Diesel-Notstromaggregate sprangen an und versorgten das Kraftwerk die erste Stunde nach dem Erdbeben mit Strom, um die Hochdruckpumpen für die zusätzlichen Kühlanlagen am Laufen zu halten.  
      Mit dem Eintreffen des Tsunamis wurden die Notstromaggegate allerdings überflutet und fielen aus. 
      Als weitere Sicherheitsmassnahme standen Notbatterien zur Verfügung. Diese hielten die Kühlanlagen für weitere 8 Stunden am Laufen! Nach diesen 8 Stunden waren die Batterien leer und es war nicht mehr möglich die Restwärme der Reaktoren über die Kühlkreisläufe abzuführen.
      Eine weitere  Möglichkeit der Kühlung bestand darin, von Zeit zu Zeit Wasserdampf aus dem Reaktorbehälter abzulassen. Das Ablassen von Wasserdampf kann allerdings dazu führen, dass  die Brennstäbe nicht mehr vollständig mit Wasser bedeckt sind. Brennelemente, die frei liegen, werden nicht durch die neutronenabsorbierende Wirkung des Wassers gebremst und auch nicht gekühlt, so dass sie sich immer weiter erhitzen. Falls die Temperaturen dabei über 800 °C steigen, kommt es durch die Reaktion der zirconiumhaltigen Hüllrohre der Brennstoffelemente mit Wasserdampf zur Freisetzung von Wasserstoff. Beim Ablassen von Wasserdampf entweicht der Wasserstoff dann mit in das Reaktorgebäude und sammelt sich unter der Decke des Gedäudes. Dies war sicher die Ursache der Explosionen in der Reaktorgebäuden 1, 2 und 3. 
      Durch das Ablassen von Wasserdampf aus dem Reaktorbehälter sinkt der Wasserstand darin immer weiter. Deshalb entschied man sich als weitere Maßnahme dazu, Meerwasser in die Reaktoren zu pumpen. Das Meerwasser wurde mit Borsäure versetzt. Diese dient als Neutronenabsorber und soll die Kernspaltung weiter abbremsen.

      Verteidigung in der Tiefe
      Ein grundlegendes Prinzip der Konstruktion von Atomreaktoren ist die "Verteidigung in der Tiefe" ("Defence in Depth"). Diese Herangehensweise verlangt, dass ein Reaktor so konstruiert wird, dass er mehrere ernsthafte Katastrophe überstehen kann, sogar wenn verschiedene Sicherheitssysteme gleichzeitig ausfallen. Die erste Sicherheitsmaßnahme war die Schnellabschaltung des Reaktors, die zweite der Einsatz der Dieselgeneratoren, die dritte die Notbatterien. Als schließlich diese versagten, wurde eine weitere "Verteidigungslinie" errichtet, indem man von Zeit zu Zeit Druck aus dem Reaktor abließ, versuchte zusätzliche Pumpen heranzuschaffen und  die Stromversorgung wieder in Gang zu setzen. Das Fluten mit Meerwasser sollte nunmehr zumindest die Kernschmelze der Reaktoren verhinden. Selbst wenn eine Kernschmelze in einem der Reaktoren eintreten sollte, so gibt es immer noch ein zusätzliches Containment, welches so kosntruiert ist, dass es einen geschmolzenen Kern von heißem Uran auffangen soll. Dieser Bereich müsste dann verschlossen werden, so dass möglichst keine Radioaktivität in die Umgebung austritt.

      Fazit
      Bisher sind nur geringe Mengen Radioaktivität (Beim Ablassen von Dampf) in die Umgebung entwichen. Nach verschiedenen Einschätzungen handelt es sich um einen INES-Unfall der Stufe 4. Momentan sieht es so aus, als würden die Ingenieure der Betreiberfirma die Reaktoren unter Kontrolle bringen.
      Durch das größte Erdbeben seit Beginn der Aufzeichnungen und den folgenden Tsunami sind mehr als 20000 Menschen gestorben. Diese Zahl ändert sich täglich. Die durch das gleiche Erdbeben verursachten Reaktorunfälle haben bisher kein einziges Menschenleben gekostet. (Das kann sich natürlich noch ändern.) Dieser Vergleich ist nicht zynisch gemeint! Aber behalten Sie doch bitte die Relation im Auge: Auf der einen Seite viele Tausende Tote durch eine Naturkatastrophe, auf der anderen Seite technische Apparate (die Atomreaktoren), die trotz dieser Katastrophe noch halbwegs beherrschbar bleiben und nicht einfach explodiert sind. Die Aufregung in Deutschland über die japanischen (und einheimischen) Atomreaktoren läßt viele andere Dinge dagegen in den Hintergrund treten, die vielleicht wichtiger sind.


      Text teilweise übersetzt von  Fukushima Nuclear Accident – a simple and accurate explanation bei bravenewclimate.com.   

      Nachtrag am 12. April 2011:  Der Reaktorunfall ist von der japanischen Atomsicherheitsbehörde heute auf Stufe 7 der INES-Berwertungsskala hoch gestuft worden. Es gab keine gravierenden neuen Ereignisse, sondern man hat die vorhandenen Daten noch einmal neu bewertet.

      Fragen zum Atomunfall von Fukushima

      Wozu wurde dem Kühlwasser in den havarierten Reaktoren Borsäure zugesetzt?
      Borsäure (H3BO3) enthält das Element Bor. Dieses hat die Eigenschaft Neutronen zu absorbieren und die Kettenreaktion dadurch zu unterbrechen.


      Warum kam es in Fukushima zur Explosion von Wasserstoffgas? 
      Durch den Ausfall des Kühlsystems konnte die Wärmebildung bei der Kernspaltung nicht mehr ausreichend abgeführt werden und es kam zu einer Überhitzung im Reaktorkern. Die Hüllrohre der Brennstoffelemente und die Brennstoffkassetten der Reaktoren bestehen hauptsächlich aus Zirkonium. Dieses wird auf Grund des geringen Einfangquerschnittes für Neutronen für diesen Zweck verwendet. Ab einer Temperatur von 800 °C unterliegt dieser metallische Werkstoff einer Korrosionsreaktion mit dem Wasser im Reaktor. Dabei reagierte es unter Freisetzung von Wasserstoff zu Zirkoniumoxid entsprechend folgender Gleichung:
      Zr     +     2 H2O     --->     ZrO2     +     2 H2

      Der Wasserstoff sammelte sich offensichtlich im oberen Teil der Gebäudes und bildete mit dem Sauerstoff der Luft ein explosives Gemisch (Knallgas), welches zur Explosion führte.

      Samstag, 19. März 2011

      Links zu den atomaren Störfällen in Fukushima:

      Ausführliche Informationen über die Reaktorkatastrophe von Fukushima findet man auf der Webseite von Barry Brook unter bravenewclimate.com und bei der Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit (GRS). Auf letzterer Webseite gibt es auch eine Chronik der Ereignisse ("Informationen zur Lage in den japanischen Kernkraftwerken Fukushima, Onagawa und Tokai").

      Freitag, 18. März 2011

      Aufbau eines Siedewasserreaktors

      Die Kernreaktorenin Fukushima sind allesamt Siedewasserreaktoren. Das bedeutet im Reaktor wird durch die thermische Energie der Kernspaltung ganz normales Wasser zum Sieden erhitzt. Der dabei entstehende Wasserdampf wird über Dampfturbinen geleitet und dort zur Stromerzeugung genutzt. Das Wasser dient dabei gleichzeitig als Moderator. Dieser bremst die bei der Kernspaltung von Uran entstehenden schnellen Neutronen ab. Ein solches Abbremsen ist notwendig, damit die Kernspaltung nicht zum Erliegen kommt. In der nachfolgenden Abbildung ist eine schematische Zeichnung eines solchen Atomreaktors zu sehen.
      Der Aufbau eines Siedewasserreaktors erscheint zunächst vergleichsweise einfach, verfügt er doch nur über einen Wasser-Dampf-Kreislauf. Dieser Kreislauf führt die Wärme der Kettenreaktion ab und dient gleichzeitig zur Stromerzeugung. Bei Druckwasserreaktoren hat man zwei getrennte Wasserkreisläufe. Aber  bleiben wir beim Siedewasserreaktor. Das relativ einfache Konstruktionsprinzip dieses Reaktortyps ist mit einigen Nachteilen verbunden. Der Dampf der über die Turbinen strömt ist radioaktiv belastet. Damit muss auch der gesamte Turbinenraum nach außen abgeschirmt werden und Wartungsarbeiten an radioaktiv verseuchten Turbinen erfordern zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen. Ein weiterer Nachteil des Siedewassersreaktors ist eine gewisse Trägheit gegenüber der Regelung. Da im Reaktorkern fortlaufend Wasserdampf entsteht, verändern die Dampfblasen die Moderatoreigenschaften des Wassers um die Brennelemente herum. Das führt zu  Leistungsschwankungen des Reaktors, die durch Variation der Pumpleistung der Kühlmittelpumpen ausgeglichen werden müssen.





      Abbildung: Prinzipskizze eines Siedewasserreaktors.  

      Die obige Abbildung stellt eine Prinzipskizze dar. Technische Details zur Konstruktion und zu den Sicherheitseinrichtungen fehlen in dieser Zeichnung. Auf der Webseite des Nuclear Energy Institutes gibt es eine Zeichnung, die eine bessere Vorstellung vom technischen Design der Anlage vermittelt. Hier folgt diese Abbildung:


      Abbildung: Siedewasserreaktor in Fukushima Daiichi. (Quelle der Abbildung Nuclear Energy Institute)

      Mittwoch, 16. März 2011

      Kernspaltung und Kernreaktoren

      Aus aktuellem Anlaß ein Abschnitt über die Nutzung der Kernenergie in Atomreaktoren. 

      Bei der Kernspaltung zerfallen bestimmte Atomkerne wie Uran oder Plutonium unter Freisetzung von Energie in zwei oder mehrere neue Atomkerne. Diese Reaktion kann man gezielt zur Energiegewinnung ausnutzen, entweder in einer gesteuerten Kettenreaktion im Atomreaktor oder in einer ungesteuerten Kettenreaktion bei der Atombombe.
      Natürliches Uran besteht zu 99,3 % aus Uran-238, zu 0,7 % aus Uran-235 und zu 0,006 % aus Uran 234. Die Zahl 235 bedeutet dabei die Massenzahl des betreffenden Isotops. Die Massenzahl setzt sich auch der Anzahl der Protonen und der Anzahl der Neutronen zusammen. Die Massenzahl wird als hoch gestellter Index vor das Elementsymbol geschrieben. Unmittelbar darunter steht die Protonenzahl als tief gestellter Index. Die allgemeine Schreibweise für ein Uran-Isotop sieht also folgendermassen aus:  23892U =  MassenzahlProtonenzahlU. Der HTML-Code macht es mir allerdings unmöglich, die beiden Zahlen direkt untereinander zu schreiben!

      Wenn man auf natürlich vorkommendes Uran langsame Neu­tronen einwirken lässt, so findet keine Kettenreaktion statt. Durch die Neutronen wird nur das Uran-235-Isotop gespalten. Die dabei frei werdenden Neutronen werden durch das hauptsächlich vorhandene Uran-238 abgefangen, dabei entsteht Uran-239:

      23892U   +   n   --->     23992U  

      Es findet keine Kettenreaktion statt, die Kernspaltung erlischt und es passiert gar nichts mehr. Dieser absorbierenden Eigenschaft des Uran-238 haben wir es zu verdanken, dass sich das natürlich vorkommende Uran nicht schon längst in Atomexplosionen selbst zerstört hat! Wenn man also Kernspaltungen erfolgreich durchführen will, muss man im natürlich vorkommenden Uran erst das Isotop mit der Massenzahl 235 anreichern. Zur Anreicherung von Uran-235 stellt man aus dem Rohmaterial zunächst Uranhexafluorid (UF6) her. Vom Fluor gibt es nur ein einziges Isotop. Deshalb sind die winzigen Massenunterschiede in dieser Verbindung allein auf die verschiedenen Uranisotope zurückzuführen. Uranhexafluorid ist sublimierbar, geht also direkt vom festen in den gasförmigen Zustand über. Deshalb kann man das Uran-235 in dieser Verbindung über Gasdiffusion oder mit Hilfe von Ultrazentrifugen anreichern. Für den Betrieb von Atomreaktoren wird das Uran typischerweise auf 3-5 % Uran-235 angereichert. Für Atomwaffen benötigt man eine Anreicherung auf mindestens 85 %.
      Beim Beschuss von Uran-235 mit langsamen Neutronen entsteht durch Einfangen des Neutrons das Uranisotop mit der Massenzahl 236. Dieses instabile Uranisotop zerfällt unter Abgabe von 1 bis 3 Neutronen und einer großen Menge an Wärmeenergie sofort in zwei kleinere Atomkerne:

       23592U  +   n   --->  23692U   --->    Atom A   +   Atom B   + 1-3 n   + Energie

      Die kleineren Atomkerne können Massenzahlen von ca. 90 bis 140 haben. Als Beispiel sei hier der Zerfall von Uran-235 in Barium und Krypton formuliert:

        23592U +   n   --->   23692U    --->   9236Kr      +     14256Ba    + 2 n   + Energie

      Solche Reaktionen bezeichnet man als Kernspaltung. Bei der Kernspaltung werden riesige Energiemengen frei. Die Ursache dafür ist, dass die schweren spaltbaren Kerne wie Uran-235 oder Plutonium-239 sehr energiereich sind. Im Unterschied dazu sind die entstehenden kleineren Atome deutlich stabiler und damit energieärmer. Bei der Kernspaltung wird die in den Atomkernen des Urans oder Plutoniums gespeicherte Energie frei.
      Beim Zerfall eines schweren Atomkerns entstehen Neutronen. Diese können sofort neue Kernspaltungen auslösen, sofern ausreichend spaltbares Material in der Nähe ist. Nehmen wir einmal an, bei jeder Spaltung eines Urankerns entstehen zwei Neutronen. Diese spalten zwei weitere Urankerne, dadurch entstehen vier Neutronen. Diese spalten vier weitere Urankerne usw. Die Zahl der gespaltenen Atomkerne wächst dadurch lawinenartig an. Wenn dies der Fall ist, so kommt es zur Kettenreaktion. Bei der ungesteuerten Kettenreaktion werden riesige Energiemengen explosionsartig freigesetzt.
      Der Text dieses Posts ist aus dem Buch "Anorganische Chemie für Dummies" entnommen. Wer mehr über dieses Thema wissen will, schaut in dieses Buch.

      Donnerstag, 10. März 2011

      Gibt es fünf- und sechsfach koordinierte Kohlenstoffatome?

      Ja, hier einige Beispiele für reale Verbindungen. Real bedeutet für mich, solche für die auch Einkristall-Strukturanalysen vorliegen.

      Beispiel A - "Stachelschwein"-Verbindungen

      Erste Beispiele für fünf-und sechsfach koordinierte Kohlenstoff-Verbindungen lieferten Schmidbaur et al. 1988-89. In drei Veröffentlichungen in der Angewandten Chemie stellten sie die Synthesen und die Analyse der Bindungsverhältnisse an zwei Goldclustern vor, die im Zentrum fünf- und sechsfach koordinierte Kohlenstoffatome besitzen. Bei den Verbindungen handelt es sich um [(Ph3PAu)5C]+ BF4- (1) und [(Ph3PAu)6C]2+ [CH3OBF3]2- (2)
      Kation von 1 Dikation von 2


      Die Literaturstellen in denen das veröffentlicht sind folgen hier:
      Für Liebhaber an dieser Stelle noch zwei hoch aufgelöste Molekülbilder. Die Kristallstruktur der fünffach koordinierten Verbindung (1) enthält das Kation [(Ph3PAu)5C]+, das Tetrafluoroborat-Anion (BF4-, rechts) und darüber hinaus noch im Kristallgitter eingeschlossenes Methylenchlorid (CH2Cl2, links).

      Die Kristallstruktur der sechsfach koordinierten Verbindung  (2) besteht nur aus dem Kation [(Ph3PAu)6C]2+ und zwei Molekülen des Anions [CH3OBF3]2-.  
      Klicken Sie auf die Bilder, falls Sie diese größer sehen wollen! 
      Bei beiden Strukturen erkennt man sehr schön die dreidimensionale Umhüllung des Goldclusters mit Triphenylphosphan-Resten, die zur Stabilisierung des Kations beitragen. Die Autoren um Schmidbaur wiesen darauf hin, dass das zentrale Kohlenstoffatom "nicht als hypervalent bezeichnet werden kann." Die Bindungsordnung zwischen dem zentralen Kohlenstoffatom und den umgebenden Goldatomen liegt bei 0,8. Die Stabilität dieser Verbindungen ist vermutlich auf Gold-Gold-Wechselwirkungen zurückzuführen.


       

      Beispiel B - Ein Zirconocenderivat 


      Ein weiteres Beispiel für eine fünffach koordiniertes Kohlenstoffatom finden wir in der Verbindung
      Cp2Zr[CH2(BH{C6F5}2)2] (3). Diese Verbindung entsteht bei der Reaktion von Bis(pentafluorphenyl)boran mit Bis(η5-cyclopentadienyl)dimethylzirconium. Das Zirconiumatom, zwei Boratome und zwei Wasserstoffatome sind an ein Kohlenstoffatom koordiniert. Wenn man eine Erklärung für die Bildung dieser Struktur sucht, so könnte man sagen, dass diese Verbindung durch Verknüpfung eines koordinativ ungesättigten Zirconocen-Dikations [Cp2Zr]2+ mit einem Diboranatomethan-Dianion [CH2(BH{C6F5}2)2] 2- entsteht.









      Beispiel C - Ein "nacktes" Neodym-Ion sucht Liganden

      Die Verbindung [Nd(AlMe4)3]⋅0.5 Al2Me6 (4) wurde durch Reaktion von Al2Me6 mit [Nd(NMe2)3(LiCl)3] erhalten. Die Molekülstruktur der Verbindung zeigt, dass das Neodymatom symmetrisch von 6 Methylgruppen umgeben ist, die verbrückend an Aluminiumatome gebunden sind. Dadurch sind diese 6 Methyl-Kohlenstoffatome fünffach koordiniert (siehe Abbildung).







      Rein formal betrachtet wird ein "nacktes" Neodym(3+)-Ion durch diese sechs Methylgruppen koordinativ umhüllt. Als Triebkraft für die Bildung dieser Verbindung könnte man also die starke koordinative Ungesättigtheit des Neodym-Ions betrachten. Auch diese Verbindunge ist in gewisser Weise ein Exot. Sie ist nur in völlig luft- und wasserfreier Umgebung beständig und zersetzt sich oberhalb von -40 °C! Von der Verbindung wurde eine Strukturanalyse mittels Neutronenbeugung durchgeführt, so dass also auch die Positionen der Wasserstoffatome genau bestimmt worden sind.

      Literaturstelle: W. T. Klooster, R. S. Lu, R. Anwander, W. J. Evans, T. F. Koetzle, R. Bau: Neutronenbeugung an [Nd(AlMe4)3]⋅0.5 Al2Me6 bei 100 K: ein erster detaillierter Blick auf eine verbrückende Methylgruppe mit trigonal-bipyramidalem Kohlenstoffatom; Angew. Chemie 110 (1998) 1326–1329.

      Es gibt auch eine Reihe verwandter Verbindungen mit verbrückenden Methylgruppen. Diese haben die allgemeine Struktur 5, mit M = Sc, Y, Gd, Dy, Ho, Er, Tm, Yb, siehe J. Holton, M. F. Lappert, D. G. H. Ballard, R. Pearce, J. L. Atwood, W. E. Hunter, J. Chem. Soc. Dalton Trans. 1979, 45. Hierbei kommt das gleiche Prinzip der koordinationschemischen Stabilisierung zum Tragen. Als koordinativ ungesättigtes Fragment wirkt die Metallocen-Einheit (Cp2M+), diese wird durch ein Methylaluminat-Anion (Me4Al-) stabilisiert.




      Weitere Ideen und Konzepte zu höher koordinierten Kohlenstoffatomen findet man im Blog von  Henry Rzepa (Imperial College London). Siehe z.B.:
      Hierbei stehen allerdings theoretische Überlegungen und berechnete Moleküle im Vordergrund. Deshalb möchte ich diese mehr hypothetischen Verbindungen nicht im Detail diskutieren.




      Zurück zu unserer Frage vom Anfang des Artikels: Gibt es fünf- und sechsfach koordinierte Kohlenstoffatome?
      Ja, aber das sind besondere Moleküle mit ganz spezieller Koordinationsumgebung. Man könnte sie auch als Exoten bezeichen.