Sonntag, 26. Februar 2012

Der Todesstoß für Biokraftstoffe in Deutschland?

Hartmut Michel vom Max Planck Institut für Biophysik in Frankfurt am Main diskutiert im Editorial der Angewandten Chemie über den Sinn oder Unsinn der Produktion von Biokraftstoffen. Er kommt dabei zu interessanten Schlußfolgerungen. Zunächst betrachtet er die Energieeffizienz der Photosynthese. Diese ist durchaus nichtg so hoch, wie man vielleicht glaubt. So werden zum Beispiel UV-, IR-Strahlung und das grüne Licht von den Pflanzen nicht genutzt. Damit bleibt ein großer Teil des Sonnenlichtes ungenutzt. Nach Elektronentransfer, Hell- und Dunkelreaktion werden etwa 12% der Energie des Sonnenlichtes in Form von NADPH gespeichert. Weitere inherente Probleme der Photosynthese betreffen die Schädigung der Proteinunterheinheiten des photosynthestischen Apparates durch hohe Lichtinitensitäten und Unzulänglichkeiten bei der Unterscheidung zwischen Sauerstoff und Kohlendixoid. 3,5 Milliarden Jahre Evolution haben nicht ausgereicht, diese Probleme zu bewältigen, so dass die Effizienz der photosynthetischen Lichtenergieumwandlung letztendlich bei ca. 4,5% liegt.  Bei schnell wachsenden Hölzern wie z.B. Pappeln liegt die Effiezienz etwa bei 1%.  Nun könnte man fragen ob Professor Michel übehaupt weiss, wovon er da redet. Ich denke schon, schließlich erhielt er 1988 zusammen mit Johann Deisenhofer und Robert Huber den Nobelpreis für Chemie für die Aufklärung der Molekülstruktur des Reaktionszentrums der Photosynthese im Purpurbakterium Rhodopseudomonas viridis.
Im Weiteren rechnet der Autor vor, wieviel von der Energie des Sonnenlichtes letztendlich im Biokraftsotff gespeichert wird: "Für deutschen Biodiesel, der aus Rapssamen hergestellt wird, sind das weniger als 0.1%, für Bioethanol weniger als 0.2% und für Biogas etwa 0.3%." Davon muss man noch einmal mehr als die Hälfte abziehen, für die Energie die für die Herstellung der Biomasse benötigt wird (Ernte, Verarbeitung, Dünger, Pestizide...).

Der Artikel enthält einige interessante Schlußfolgerungen:
"Die Produktion von Biokraftstoffen stellt eine extrem ineffiziente Nutzung der verfügbaren landwirtschaftlichen Fläche dar."
"Wir sollten auf den Anbau von Pflanzen für die Herstellung von Biokraftstoffen verzichten."
 "Die Verbesserung der Photosynthese, ein für die Sicherstellung einer ausreichenden
Lebensmittelproduktion höchst erstrebenswertes Ziel, kann an der Überlegenheit der Kombination Photovoltaikzelle/elektrische Batterie/Elektromotor nichts ändern."



Abbildung:  Photosynthetisches Reaktionszentrum aus Rhodopseudomonas viridis (Abbildung erzeugt mit der Protein Data Bank).
Literatur: "Crystallographic refinement at 2.3 A resolution and refined model of the photosynthetic reaction centre from Rhodopseudomonas viridis." J. Deisenhofer, O.  Epp, I. Sinning, H. Michel,  J.Mol.Biol. 246 (1995) 429-457
PubMed: 7877166  
DOI: 10.1006/jmbi.1994.0097  


Weitere Links:


Als Kommentar zur Unwirtschaftlichkeit von Biokraftstoffen siehe auch diesen Bericht bei Telepolis: "Synthetischer Biokraftstoff vorerst am Ende". Die Firma Choren in Freiberg wollte aus Holzabfällen Dieselkraftstoff erzeugen. Ein entsprechendes Verfahren auf Basis von Holzvergasung und Synthesegas war bereits entwickelt worden. Allerdings war der erzeugte Krsftstoff zu teuer.
Übrigens sind die Technologien, die diesem Verfahren zu Grunde liegen, bereits lange bekannt. Die Hydrierung von Kohle wurde 1913 von Bergius entwickelt und die Fischer-Tropsch-Synthese ca. 1925.

    Donnerstag, 23. Februar 2012

    ... Inzwischen in Deutschland: Die Pikrinsäurehysterie greift um sich

    Eher eine amüsante Beschreibung der Ereignisse im Jahr 2008 zu Entsorgung von Pikrinsäurerückständen in deutschen Schulen. PDF-Dokument bei der Vereinigung der Oberstudiendirektoren der Gymnasien im Saarland (VOS).

    Ähnliche Vorgehensweise übrigens in den USA: Absperrung, Evakuierung, Bombenräumkommando, kontrollierte Sprengung, viel Aufregung in den Medien.
    Hier der Link dazu: Internet Discovers 100g of Dry Picric Acid

    Am Schluss noch eine historische Verwendung für Pikrinsäure:
    als Verhütungsmittel in Tampons ?!?

    Donnerstag, 16. Februar 2012

    Nachtrag zum tödlichen Unfall von Sheri Sangji

    Das United States Chemical Safety Board (CSB) veröffentlichte kürzlich ein Sicherheitsvideo über Gefahren bei der Arbeit in chemischen Forschungslaboratorien. In dem 24-minütigen Video werden drei Laborunfälle in den USA ausgewertet:
    • der Tod der Forschungsassistentin Sheri Sangji in Folge eines Feuers an der University of California Los Angeles (UCLA)
    • der Tod einer Professorin am Dartmouth College aufgrund einer versehentlichen Vergiftung mit winzigen Mengen Dimethylquecksilber
    • die Explosion an der Texas Tech University (TTU), bei der ein Graduate Student bei Experimenten mit "hochenergetischen Materialien" (vulgo: Sprengstoffe) drei Finger verlor und Augenschäden davon trug
    Video auf der Webseite des CSB: "Experimenting with Danger"

    Video bei Youtube:



    Verwandte Themen:

    Mittwoch, 15. Februar 2012

    Todesfall beim Umfüllen von tert-Butyllithium

    Es gehört nicht viel dazu, dass sich die alltägliche Arbeitsumgebung in eine brennende Hölle verwandelt. Ein wenig Unachtsamkeit in der Laborroutine reichen aus.
    Es genügen zum Beispiel eine Spritze, die Feuchtigkeitsspuren enthält und eine unachtsam stehen gelassene Flasche Hexan. Diese beiden Komponenten waren an dem tödlichen Unfall beteiligt, der sich im Dezember 2008 in einem chemischen Laboratorium der University of California at Los Angeles (UCLA) ereignete. Eine 23jährige Forschungsassistentin mit einem Bachelorabschluss in Chemie und bereits einigen Jahren Berufserfahrung wollte an diesem Tag t-Butyllithium mit Vinylbromid umsetzen. Sie arbeitet an einer Inertgasanlage in einem Abzug und zog das t-Butyllithium mit einer Plastikspritze auf. Dabei sprang der Kolben der Spritze heraus und das austretende t-Butylltihium entzündete sich sofort. 
    Wodurch der Kolben aus der Spritze heraussprang, konnte nachträglich nicht mehr geklärt werden. Möglicherweise enthielt die Spritze Feuchtigkeitsspuren, die durch Reaktion mit dem Lithiumorganyl zu einer Gasentwicklung führte. Oder die Mitarbeiterin zog die Spritze aus Versehen zu weit auf. 
    Im Abzug stand noch eine offene Flasche Hexan herum. Die Mitarbeiterin Sheri Sangji stieß diese Flasche aus Versehen um, so dass das Hexan herauslief und sich ebenfalls entzündete. Frau Sangji erlitt dabei schwere Verbrennungen am Oberkörper, den Händen und dem Hals. Trotz Behandlung in einer Spezialklinik für Verbrennungen starb sie 18 Tage später an den Folgen ihrer Verletzungen.

    Quelle: Chemical and Engineering News vom 03.08.09

    Eine Kurzfassung des abschließenden Berichts vom California's Division of Occupational Safety and Health und Diskussion der Verhältnisse im Chemistry Department der UCLA findet man bei Science Careers Blog in Einträgen vom Januar 2012.

    Der tragische Unfall wird auch bei The Curious Wavefunction diskutiert, in einem älteren Beitrag geht es unter anderem um die Verantwortung des Professors in diesem Fall.
     
    In den verschiedenen Berichten werden mehrfach die von Sigma-Aldrich zur Verfügung gestellten "Technical Bulletins" erwähnt. Es handelt sich dabei um Handling Air-Sensitive Reagents (AL-134) und "Handling Pyrophoric Reagents (AL-164)". Eine Gesamtübersicht über alle verfügbaren Arbeitsvorschriften von Sigma-Aldrich findet man hier.  

    Nachtrag Juni 2013:
    Aktuelle Nachrichten zum Gerichtsverfahren bei ChemistryWorld: UCLA chemist to stand trial for safety violations linked to Sheri Sangji death, von Rebecca Trager.


    Mittwoch, 1. Februar 2012

    Putin - Dissertation - Plagiat ?


    Aufmerksame Leser des Postes vom 1. Januar haben sicher mitbekommen, dass die Story über die möglicherweise plagiierte Dissertation von Wladimir Putin bereits 2006 ans Licht der Öffentlichkeit kam. Nun zumindest für mich war die ganze Sache neu und wirft doch eine interessantes Licht auf den unterschiedlichen Umgang mit solchen Dingen. Während in Deutschland der Titel aberkannt wird und der betreffende Politiker auch durchaus (manchmal) zurücktritt, interessiert das in Russland wohl offensichtlich überhaupt niemanden. 

    Hier noch ein paar Fragen, die sich aus dem Fall ergeben:
    Wer ist dieser Clifford Gaddy?
    Arbeitet er im Auftrag der CIA um Russland zu destabilisieren?
    Clifford Gaddy arbeitet beim regierungsfernen Brookings Institut und ist kein CIA Agent. Das Center for Defence Information, auf dessen Webseite die Story vom Putin-Plagiat zuerst veröffentlicht wurde ist ebenfalls eine unabhängige Institution, die von Regierungseite und von Rüstungsfirmen keine Gelder annimmt (siehe "Mission Statement" des CDI).
    Quelle: Tagesspiegel 19.04.2006

    Über die Geschichte wurde auch in Russland berichtet, allerdings wohl ohne große Resonanz. Hier ein englischsprachiger Artikel aus der online-Version des "Kommersant" einer russischen Tageszeitung.