Mittwoch, 28. November 2012

Elementares Fluor in der Natur!

Elementares Fluor

Das unfassbare Element Fluor, schwer herzustellen, hoch reaktiv und sehr gefährlich ist kürzlich in der Natur entdeckt worden. Doch zunächst einmal der Reihe nach. Wie stellt man Fluor überhaupt her?
Fluor, das Element mit der höchsten Elektronegativität ist in elementarer Form sehr schwierig herzustellen. Beim klassischen Verfahren erzeugt man zunächst einmal Fluorwasserstoff durch Einwirken von konzentrierter Schwefelsäure auf Calciumfluorid (Gleichung 1). Mit Hilfe von elektrischen Strom als Reduktionsmittel kann man dann den Fluorwasserstoff zum elementaren Fluor zu reduzieren (siehe Gleichung 2). Sieht einfach aus, erfordert aber einen hohen apparativen Aufwand, um das Fluor aufzufangen und dafür zu sorgen, dass es nicht sofort mit irgend etwas aus der Umgebung reagiert.


Es gibt auch ein rein chemisches Darstellungsverfahren von Fluor (siehe K. O. Christie, Inorg. Chem. 25, 1986, 3721). Hierbei erzeugt man zunächst ein Mangan(IV)-fluorid, welches in Form des MnF62- Anions stabilisiert vorliegt (Gleichung 3). Durch Reaktion des hergestellten K2MnF6 mit der starken Lewissäure SbF5 wird dem MnF6-Dianion Fluor entzogen und es entsteht das hochreaktive Mangantetrafluorid (Gleichung 4). Dieses ist nicht stabil und zerfällt sofort unter Abspaltung von elementarem Fluor. Sieht kompliziert aus und ist es auch.


Kürzlich entdeckten J. Schmedt et al. (Angew. Chemie 124, 2012, 7968), dass Fluor auch elementar in der Natur vorkommt. Sie konnten geringe Mengen dieses Elements in dem natürlichen Mineral Antozonit oder auch "Stinkspat" aus Wölsendorf in Bayern nachweisen. Es handelt sich um eine dunkel gefärbte fast schwarze Varietät des Flussspats (CaF2). Beim Zerreiben des Minerals tritt ein starker unangenehmer Geruch auf. Die Autoren konnten durch Festkörper-NMR-Spektroskopie zweifelsfrei nachweisen, dass dieses Mineral elementares Fluor enthält. Stinkspat kommt immer vergesellschaftet mit Uran- oder Thoriumerzen vor. Somit wird vermutet, dass die über lange Zeit einwirkende ionisierende Strahlung geringe Mengen des Calciumfluorids in Calcium und Fluor spaltet. Dies führt zur dunklen Farbe des Minerals durch gebildete Calciumcluster und zu kleinen Einschlüssen von elementarem Fluor im Mineral. Dieses wird beim Aufbrechen des Minerals frei gesetzt und führt zum charakterisctischen Gestank des Stinkspats. 

Samstag, 24. November 2012

Breaking Bad ist zurück

Wie kocht man Crystal Meth?

Diese Frage wird in der Serie "Breaking Bad" zwar nicht umfassend beantwortet, es gibt aber immer wieder Hinweise auf die verschiedenen Synthesemöglichkeiten. Mehr darüber findet man in den früheren Blogeinträgen mit dem Label "Breaking Bad". Mit Absicht werden von den Machern der Serie wichtige Details  ausgespart. So wird z.B. niemals erwähnt, dass das verwendete Methylamin ein Flüssiggas ist! Der Siedepunkt von  -6 °C erfordert schon besondere Maßnahmen in der Handhabung. Nebenbei wird auch einmal Thoriumnitrat erwähnt, welches Jesse besorgen soll (siehe Eintrag vom 3. November 2010). Dessen Beschafffung dürfte nahezu unmöglich sein, da es hoch giftig ist und für Konsumenten in keiner Form käuflich zu erwerben ist. Na gut, winzige Mengen waren füher in Glühstrümpfen für Gaslampen (also z.B. gasbetriebene Campinglaternen) enthalten. Aber falls man solche Glühstrümpfe überhaupt noch bekommt, dürfte es schwierig werden, die benötigte Menge Thoriumnitrat daraus zu gewinnen.

Die 4. Staffel der Serie kommt zur Zeit auf Arte, immer freitags. Bisher kam nicht viel Chemie vor. In der ersten Folge "Das Teppichmesser" werden einige Aspekte kurz angesprochen, aber nicht weiter erklärt. Walter: "Ich wette, er vergisst das Aluminium. Du hast nämlich keine Ahnung was Du da tust." Etwas später die Tirade von Walter: "Bitte sagen Sie mir: Katalytische Hydrierung, ist es protisch oder aprotisch? Ich habs nämlich vergessen. Und wenn unsere Reduktion nicht stereoselektiv ist, wie kann dann unser Produkt enantiomerenrein sein? Bei 1-Phenyl-1-hydroxy-2-methylaminopropan, das natürlich chirale Zentren an C1 und 2 der Propankette enthält, wird durch die Reduktion zu Methamphetamin welches chirale Zentrum eliminert? Ich habs nämlich vergessen."
(Kleine Aufgabe zum Knobeln am Wochenende. Wer Hilfestellung braucht, schaut die anderen Einträge mit dem Label "Breaking Bad" an.)


4. Folge "Abgehakt" (Bullet Points)
Hank Schrader zeigt Walter White und seinem Sohn sein neues Hobby - Minerale sammeln. Hank: "Das da ist Rhodonit, das ist Manganinosilikat." Walter White Junior: "Cool, wodurch ist das so rosa?" Hank: "Das kommt von dem Mangan, denn das - das oxidiert, so wie Rost." Walter ergänzt daraufhin - und hier kommt wieder der Highschool-Lehrer durch: "Genau, Mangan kann eine Oxidationsstufe zwischen -3 und +7 haben, wobei es sich immer anders verfärbt, violett, grün, blau. Aber die stabilste Stufe ist +2 und da ist es normalerweise blaßrosa, deshalb." Hank: "Genau, was auch immer er gesagt hat."
Im weiteren Verlauf der Folge blättert Walter das Notizheft des toten Gale durch, während er sich mit Hank unterhält, und man sieht kurz einige Formeln zur Methamphetamin-Synthese: Die Reduktion von 1-Phenyl-1-hydroxy-2-methylaminopropan mit Iodwasserstoff und rotem Phosphor und alternativ die gleiche Reaktion mit Lithium oder Natrium als Reduktionsmittel in flüssigem Ammoniak.



10. Folge "Prost!" (Salud)
Jesse, Gus und Mike sind nach Mexiko geflogen. Jesse soll den Mitarbeitern des mexikanischen Drogenkartells zeigen, wie man Meth kocht. Zuerst soll er Phenylessigsäure herstellen, hat jedoch keine Ahnung, wie das geht. Er sagt leise zu Gus: "Sehn Sie, ich hol meine Phenylessigsäure aus dem Faß mit der Biene drauf, dadurch weiß ich was ich nehmen muß." Der Chemiker des Kartells glaubt, dass Jesse keine Ahnung hat. Solche Unkenntnis kann tödlich enden! Jesse gelingt es jedoch, sich durch einen großmäuligen Auftritt aus der Situation zu retten. Er verlangt von den Kartellchemikern, dass sie ihm gefälligst die Phenylessigsäure herstellen. Schauen wir uns gleich mal an, wie man diese Verbindung aus einfachen Ausgangsstoffen herstellt. Entsprechende Arbeitsvorschriften findet man z.B. im Organikum.

 
Zunächst geht man von Toluen aus, welches radikalisch chloriert wird (Reaktion 1). Dabei braucht man Chlorgas, ein tödliches Atemgift. Die Anmerkung "SSS" auf dem Reaktionspfeil bedeutet, dass man diese Reaktion in Siedehitze und mit Sonnenlicht durchführt, damit die Seitenkette chloriert wird ("SSS-Regel"). Da es sich um eines radikalische Chlorierung handelt ist diese  nicht selektiv und es entsteht ein Produktgemisch, so wie in der Gleichung angedeutet. Aus diesem Produktgemisch muss man das Benzylchlorid abtrennnen. Dieses kann man dann weiter mit Natriumcyanid (ebenfalls ein tödliches Gift!) in verdünntem Ethanol zu Benzylcyanid umsetzen (Reaktion 2). Die letzte Reaktion (3) ist dann relativ harmlos und erfordert nur noch die Hydrolyse des Carbonsäurenitrils mit einer verdünnten Säure, dann hat man die gewünschte Phenylessigsäure.
Alternativ könnte man die Phenylessigsäure aus Mandelsäure durch Reduktion mit Kaliumiodid, rotem Phosphor und Phosphorsäure herstellen (siehe Gleichung 4). Die Mandelsäure dürfte allerdings hierfür viel zu teuer sein.



Umgang mit Chlorgas, Natriumcyanid und rotem Phosphor ist jedenfalls nichts für Laien am heimischen Herd. Entsprechende Versuche dürften im wahrsten Sinne tödlich enden. Also Finger weg von diesen Synthesen!



Links:

Mittwoch, 21. November 2012

Supramolekulare Verbindungen - vom Spielzeug zum Werkzeug


In den achtziger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts betrachtete man die supramolekulare Chemie etwas lächelnd als Spielplatz der Organiker. Damals probierten diese große neuartige Strukturen aufzubauen, für die es zwar Vorbilder im Legokasten, aber nicht unbedingt in der Natur gab. Inzwischen ist diese Disziplin, vielleicht noch nicht erwachsen, aber auf jeden Fall ernst zu nehmen. Die Bauprinzipien der supramolekularen Chemie sind einerseits aus der Koordinationschemie entlehnt, indem man mehrfach funktionalisierte Liganden mit geeigneten Metallatome zu Komplexverbindungen verknüpft. Andererseits werden auch aus der Natur bekannte Wecheselwirkungen genutzt, wie z.B. Wasserstoffbrückenbindungen.

Aber vielleicht der Reihe nach. Zunächst erst einmal: Was ist supramolekulare Chemie? Man versteht darunter die Chemie jenseits des Moleküls oder anders ausgedrückt die Chemie der intermolekularen Wechselwirkungen, also der Wechselwirkungen zwischen verschiedenen Molekülen. Moleküle "erkennen" einander durch eine komplizierte Kombination von geometrischen und chemischen Faktoren. Die eingängigste und bekannteste Erklärung der molekularen Erkennung ist wohl das "Schlüssel-Schloss-Prinzip". Dieses Prinzip wurde bereits 1894 von Emil Fischer für die Wechselwirkung von Enzymen mit Substraten formuliert. Genau dieses Schlüssel-Schloss-Prinzip liegt auch den supramolekularen Wechselwirkungen zwischen verschiedenen Molekülen zugrunde. Wenn zwei Moleküle einen supramolekularen Komplex bilden sollen, so müssen sie geometrisch zueinander passen und überdies geeignete Gruppen für gegenseitige Wechselwirkungen besitzen. Solche Wechselwirkungen können z.B. Wasserstoffbrückenbindungen, Halogen-Halogen-Wechselwirkungen, pi-pi-Wechselwirkungen zwischen Aromaten oder Komplexbildungsreaktionen zwischen Metallkationen und geeigneten organischen Ligandmolekülen sein. Die entstehenden Strukturen können sehr unterschiedliche Topologien, also Verknüpfungen der Bausteine, aufweisen. So gibt es zwei- und dreidimensionale Netzwerke, Helices und alle möglichen anderen denkbaren Varianten. Die nachfolgende Abbildung zeigt nur einige Varianten auf.

quadratisches zweidimensionales
Netzwerk
hexagonales zweidimensionales
Netzwerk
dreidimensionales 
Netzwerk
Helix

Es gibt inzwischen durchaus vielversprechende Anwendungen supramolekularer Verbindungen. Anwendungen, die vielleicht mit konventionellen Molekülen nicht erreicht werden können. Gerade wenn es um "Erkennung" von Molekülen im Sinne eines analytischen Nachweises geht, können supramolekularen Verbindungen anderen Problemlösungen überlegen sein . Dazu nachfolgend einige Beispiele aus der Literatur.
An dieser Stelle werden bewusst keine chemischen Formeln oder Reaktionsgleichungen benutzt, sondern nur einige Illustrationen eingesetzt. Wer es genauer wissen will, schaut bitte in die angegebene Originalliteratur. 



Detektion von Explosivstoffen
TNT und andere nitrierte Aromaten können mit geeigneten rein organischen supramolekularen Einheiten detektiert also nachgewiesen werden. Wichtig im Antiterrorkampf!

Fluorescent Porous Polymer Films as TNT Chemosensors:  Electronic and Structural Effects; J. Am. Chem. Soc., 120, 1998, 11864–1187.
Detection of Explosives with a Fluorescent Nanofibril Film; J. Am. Chem. Soc., 129, 2007, 6978–6979.




Die Abtrennung von Actinoiden und Lanthanoiden aus nuklearem Abfall
ist ein sehr wichtiges Thema. Egal ob es sich um Abfälle aus einem Reaktorunfall oder um die routinemässige Aufarbeitung von Rückständen aus der Kerntechnik handelt, ein wirklich selektiv funktionierendes Verfahren zur Abtrennung einzelner Elemente wäre höchst willkommen.
‘CMPO-substituted’ calix[4]arenes, extractants with selectivity among trivalent lanthanides and between trivalent actinides and lanthanides; Chem. Commun., 1998, 1627-1628.
Multicoordinate ligands for actinide/lanthanide separation;
Chem. Soc. Rev., 36, 2007, 367-377.




Andere Anwendungen im Bereich der Umwelanalytik sind ebenfalls möglich und werden in diesem Übersichtsartikel ausführlich besprochen: Supramolecular complexation for environmental control (M. Teresa Albelda , Juan C. Frías , Enrique García-España and Hans-Jörg Schneider, Chem. Soc. Rev., 41, 2012, 3859-3877)




Von supramolekularen Verbindungen zu MOF

Die in den letzten Jahren so hoch geschätzten MOFs ("Metal Organic Frameworks") sind auch nichts anderes als supramolekulare Verbindungen. Hier ein Link mit weiter führenden Informationen: Synthese und Anwendungen von mit supramolekularen Templaten hergestellten mesoporösen Materialien (Jackie Y. Ying, Christian P. Mehnert, Michael S. Wong: Angewandte Chemie, 111, 1999, 58–82)




Ein Ausblick in die Zukunft, also was man alles mit supramolekularen Verbindungen noch so anstellen kann zeigt der Artikel von Euan R. Kay, David A. Leigh Prof., Francesco Zerbetto: Synthetische molekulare Motoren und mechanische Maschinen
Angew. Chem. 2007, 119, 72 – 196.



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