Dienstag, 7. Juli 2015

The Steel Flea

Die stählerne Fliege

Das Märchen "Vom schielenden Linkshänder aus Tula und der stählernen Fliege" von Nikolaj Leskow ist ein Kunstmäcrchen des 19. Jahrhunderts. Hier zunächst eine Kurzfassung der Geschichte:

Zar Alexander der Erste besuchte England. Dort wurden ihm moderne englische Erfindungen vorgeführt. Der Kosake Platov, der sich im Gefolge des Zaren befand behauptete dabei immer wieder, dass man diese Ding in Russland viel besser hergestellen würde. Dem Zaren wird schließlich eine winzige mechanischen Fliege zum Geschenk gemacht. Diese ist so klein wie ein Krümel und den Schlüssel zum Aufziehen der mechanischen Fliege kann man nur durch ein Mikrokop sehen. Nach dem Tod des Zaren wird Nikolaus der Erste Zar. Dieser beauftragt den Kosaken Platov jemanden im russischen Reich zu suchen, der die Fähigkeiten der englischen Mechaniker übertreffen kann. Platov reist nach Tula und sucht jemanden der die englische Erfindung verbessern soll. Drei Waffenschmiede in Tula erklären sich bereit, die Aufgabe zu übernehmen. Sie verbarrikadieren sich in ihrer Werkstatt. Die Dorfbewohner versuchen auf verschiedene Weise die drei Schmiede aus der Werkstatt zu locken, zum Beispiel indem sie "Feuer" rufen. Aber alle Versuche misslingen, die drei Waffenschmiede bleiben in der Werkstatt. Als Platov wieder nach Tula kommt, befiehlt er einigen Kosaken die Werkstatt aufzubrechen. Das gelingt ihnen schließlich, als sie das Dach herunter reissen. Die Zuschauer sind jedoch angewidert, als sie den Gestank von Schweiss und anderen Gerüchen spüren. Die Waffenschmiede übergeben Platov die gleiche stählerne Fliege, die er ihnen gab. Er verflucht sie, da er annimmt, dass sie die ganze Zeit überhaupt nichts getan haben! Er schleift den Linkshänder mit, damit er jemanden dabei hat, der das Versagen vor dem Zaren verantwortet.

Zar Alexander I. von Russland 
(Quelle: Wikimedia Commons)
Zar Nikolaus I. von Russland 
(Quelle: Wikimedia Commons)
Graf Matwej Iwanowitsch Platov
(Quelle: Wikimedia Commons)
Die stählerne Fliege wird dem Zar übergeben. Der Linkshänder erklärt ihm, dass er sich die Fliege ganz genau ansehen soll, um zu erkennen was die Waffenschmiede geleistet haben. Der Zar zieht die Fliege auf, es passiert jedoch nichts. Sie tanzt nicht mehr. Er entdeckt beim genauen Hinsehen, dass der Linkshänder und seine Kollegen genau passende Hufeisen mit den eingravierten Namen der Handwerker für die Fliege angefertigt haben. Das haben die drei ohne Mikroskop zustande gebracht, denn "Wir sind arme Leute". Der Linkshänder hat dafür so kleine Hufeisennägel angefertigt, dass man diese nicht sehen kann. Diese Leistung beeindruckt den Zaren und die englischen Gesandten zutiefst.
Daraufhin erhält der Linkshänder eine Einladung nach England, um die Lebensweise und die technischen Errungenschaften der Engländer kennen zu lernen. Die englischen Gastgeben versuchen ihn zu überreden, er möge doch in England bleiben. Er hat jedoch Heimweh und kehrt bei der ersten Gelegenheit wieder nach Russland zurück. Während der Rückfahrt auf einem Schiff lässt er sich auf ein Wettsaufen mit einem englischen Seemann ein. Als das Schiff in Sankt Petersburg einläuft, sind beide immer noch betrunken. Der englische Seemann wird gut behandelt. Die Behörden finden jedoch keinen Hinweis auf die Identität des Linkshänders und halten ihn für einen gewöhnlichen Trunkenbold. Sie lassen ihn darauf ihn ein Hospital schaffen, wo er als Unbekannter stirbt. Nachdem der Seemann wieder nüchtern ist, versucht er seinen neuen Freund und Saufkumpanen zu finden. Mit Platovs Hilfe findet er ihn im Hospital. Der Schädel des Linkshänders wurde zerschmettert, als er betrunken auf die Strasse gestossen wurde. Während er stirbt erklärt er Platov noch, dass der Zar doch befehlen möge, dass die Soldaten ihre Musketen nicht mehr mit Ziegelstaub reinigen sollen. Er hatte in England eine schmutzige Muskete gesehen. Diese schoss jedoch hervorragend, weil die Engländer diese ölig hielten.
Diese Nachricht erhält der Zar jedoch nie, weil in Russland derjenige der den Zaren informieren soll dies niemals tut. Der Krimkrieg wäre vielleicht anders ausgegangen, wenn der Zar diese Nachricht erhalten hätte. Das Märchen endet mit einem Kommentar über die Verdrängung guter Handwerkskunst und Kreativität durch Maschinen. 

 Der Volltext des Märchens in Englisch ist bei archive.org verfügbar.

Die Sprache dieses Kunstmärchens ist einzigartig. Historische Gestalten treten in leicht veränderter Form als Protagonisten in diesem Märchen auf, zum Beispiel der "Kosake Platov". Viele volkstümliche Wortschöpfungen und Aussprüche, die der Autor Nikolaj Leskow verwendete, sind zu gebräuchlichen Sprichworten und Redensarten im Russischen geworden. Leskow hat dieses Kunstmärchen tief aus dem russischen Nationalgefühl geschöpft. Die Geschichte stellt in archtypischer Weise das Verhältnis von Russland zum Westen dar.
Einerseits zeigt die Geschichte vom Linkshänder den Einfallsreichtum und das handwerkliche Können russischer Handwerker. Andererseits wird auch die repressive russische Gesellschaft dargestellt, die ihre größten Talente misshandelt und umkommen lässt.


Aus heutiger Sicht schließlich ist die Vorwegnahme der Nanotechnologie in Form der stählernen Fliege interessant. Auf dieses Kunstmärchen wird auch in folgendem Buch Bezug genommen: "Molecular Computing: Origins and Promises" von N. G. Rambidi. (Einen Textauszug findet man bei Google-Books.)
Es handelt sich hierbei um eine gewitzte Monographie über Nanotechnologie und molekulare Computer. Das Buch beginnt mit dem Märchen von der stählernen Fliege und dem Linkshänder aus Tula. Im Weiteren erfährt der Leser etwas über die Geschichte der Nanotechnologie und die Entwicklung der Halbleiter als elektronische Bauelemente. Danach werden verschiedene Perspektiven zur möglichen Entwicklung molekularer Computer aufgezeigt. Wer noch mehr über Nanotechnologie in der Literatur erfahren will, schaue auf die Webseite  "Nanotechnology in fiction" bei Wikipedia.




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