Samstag, 7. Mai 2016

The Crystalline Sponge Method Reloaded

Neues von den kristallinen Schwämmen

Über kristalline Schwämme als Werkzeug in der Strukturanalyse hatte ich im Blog bereits berichtet. Bei dieser Methode saugt man eine flüssige Verbindung oder die Lösung einer Verbindung auf, dabei entsteht ein Einschlusskomplex. Die Kristallstruktur dieses Komplexes aus Wirt und Gast wird gemessen und schon hat man eine Strukturanalyse der ursprünglich flüssigen Verbindung.  Diese neuartige Methode der Strukturbestimmung publizierten Fujita et al. 2013 unter der Überschrift "X-ray analysis on the nanogram to microgram scale using porous complexes" in Nature 495 (2013) 461-466 und Nature 501 (2013) 262.
Die Methode ermöglicht es auch, die Stereochemie von chiralen Verbindungen zu untersuchen. Verbindungen mit axialer oder planarer Chiralität finden vielfach Anwendung in katalytischen asymmetrischen Synthesen. Allerdings ist die Bestimmung der absoluten Konfiguration solcher Verbindungen oft schwierig. Die Autoren demonstrieren in einem aktuellen Artikel sehr anschaulich die praktische Anwendbarkeit ihrer Methode (S. Yoshioka et al. in Chem. Sci. 6 (2015) 3765-3768). So trennten sie z.B. racemische Mischungen ihrer chiralen Zielsubstanzen mit HPLC auf. Anschließend tauchten sie den kristallinen Schwamm in einen winzigen Tropfen der gewonnenen enantiomerenreinen Substanz. Das führt zu einem chiralen Wirt-Gast-Komplex. Die chirale Gastverbindung induziert dabei einen Übergang des achiralen Wirtsgitters in eine chirale Struktur.
Allerdings ist die Arbeitstechnik mit den kristallinen Schwämmen nicht ganz so einfach. Es gibt zahlreiche praktische und kristallographische Probleme die überwunden werden müssen. In einem Interview für Chemistry World erläutert Makoto Fujita, einer der Autoren, die Probleme mit dieser Methode. Sinngemäß sagte er: "Als wir unseren Artikel  2013 in Nature publizierten, waren wir unsicher über die Anwendbarkeit und die Grenzen dieser Technik. Wir haben inzwischen festgestellt, dass qualitativ hochwertige Daten nur erhalten werden, wenn die Gastmoleküle in sehr hohen Konzentrationen im Wirtsgitter vorliegen. Für jedes zu untersuchende Molekül müssen daher die Bedingungen zur Bildung des Wirt-Gast-Komplexes sorgfältig optimiert werden." Inzwischen haben die Autoren weiter an dieser Methode gearbeitet und präsentieren ihre neuesten Ergbnisse im IUCr Journal (IUCrJ 3, 2016, 139-151).

Nachfolgend zwei Beispielstrukturen aus der Veröffentlichung in Chemical Sciences von 2015: In Abbildung 1 sind alle Atome in der Struktur, also Wirt- und Gastmoleküle, mit van-der-Waals-Radien  wiedergegeben. Es ist deutlich zu erkennen, dass die Struktur immer noch große Hohlräume enthält. In diesen können sich z.B. Lösungsmittelmoleküle befinden. Wenn das Lösungsmittel keine definierten Positionen im Kristallgitter einnimmt, dann spricht man von "diffusen Lösungsmittelmolekülen". Solche Moleküle erschweren dann häufig eine exakte Strukturbestimmung.



Abb. 1: Struktur eines Einschlusskomplexes von [Tetrakis(2,4,6-tris(pyridin-4-yl)-1,3,5-triazin)-dodecakis(iodo)-hexazink (Wirt) mit (R)-5,5',6,6'-Tetramethylbiphenyl-2,2'-diol als Gast. Abbildung erzeugt mit den Strukturdaten WUDZEC aus der CSD. Originalveröffentlichung der Strukturdaten in Chem. Sci. 6 (2015) 3765-3768.

In der zweiten Abbildung sind die Moleküle des Wirtsgitters wiederum mit van-der-Waals-Radien dargestellt. Für die Gastmoleküle wurde eine Kugel-Stab-Darstellung gewählt. Man erkennt hier, dass die Gastmoleküle nur einen kleinen Anteil an der gesamten Struktur ausmachen. Die Experimentatoren müssen aber bei der Strukturanalyse alle Atome im Kristallgitter der Verfeinerung unterwerfen. Man schleppt bei dieser Methode also einen recht großen "Ballast" mit, nämlich die Atome des Wirtsgitters. Diese sind eigentlich nicht weiter interessant, da die Struktur des Wirtsgitters längst bekannt ist.


 Abb. 2: Struktur eines Einschlusskomplexes von [Tetrakis(2,4,6-tris(Pyridin-4-yl)-1,3,5-triazin)-dodecakis(iodo)-hexazink als Wirt mit (R)-4-(2-isopropyl-1-naphthyl)-2,3-dimethylthiophen als Gast. Abbildung erzeugt mit den Strukturdaten WUDZIC aus der CSD. Originalveröffentlichung der Strukturdaten in Chem. Sci. 6 (2015) 3765-3768.

 
Diese beiden Beispiele zeigen, dass diese Methode durchaus nicht ganz so einfach zu handhaben ist. Die Arbeitstechnik der "kristallinen Schwämme" ist mit handfesten kristallographischen Problemen verbunden. Diese können nur durch sorgfältiges Arbeiten von kristallographisch hoch qualifiziertem Personal gemeistert werden. 

Die kristallinen Schwämme stehen sicher noch am Anfang ihrer Entwicklung als Werkzeuge in der Strukturanalyse. Der nächste Schritt wäre das Design neuer "Schwämme". Dabei werden bisher vor allem Metal-Organic-Frameworks "MOF" verwendet. Diese kristallinen Metallsalze von organischen Säuren besitzen große Hohlräume, in denen die Gastverbindungen Unterschlupf finden. Arbeitsgruppen, die an MOFs arbeiten, könnten mit den kristallinen Schwämmen neue Anwendungsfelder für ihre Verbindungen erschließen. Eine Weiterentwicklung dieser Methode wurde bereits von einer anderen Arbeitsgruppe in Angriff genommen. So demonstrierten E. Sanna et al. kürzlich, dass ein makrocyclisches Tetraimin in Kombination mit Essigester ebenfalls als kristalliner Schwamm geeignet ist (Chem. Sci. 6 (2015) 5466-5472).

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    Ergänzung im Dezember 2016:

    Mit Hilfe eines kristallinen Schwammes wurde erstmals die Struktur eines Ozonides bestimmt. Solche Verbindungen entstehen bei der Reaktion von Alkenen mit Ozon. Dabei greift das reaktive Ozon (O3) die Doppelbindung an und spaltet diese (siehe Reaktionsgleichung unten). Ozonide sind sehr instabil und teilweise explosiv. Daher war es bisher nicht möglich eine Strukturanalyse einer solchen Verbindung anzufertigen. (Literatur: J. Am. Chem. Soc. 138, 2016, 10140-10142)


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