Sonntag, 10. Mai 2015

Silicon-based Drugs - Part 1

Silicium enthaltende Medikamente

In meinem Beitrag über Silaexplosivstoffe erwähnte ich bereits kurz die Strategie des Silicium-Kohlenstoffaustauschs ("carbon/silicon switch strategy"). In der Pharmaforschung bietet diese Strategie eine interessante Möglichkeit bereits bekannte Medikamente hinsichtlich ihrer Wirksamkeit weiter zu verbessern oder zu einem veränderten Eigenschaftsprofil zu gelangen. Warum kann man eigentlich so einfach ein Kohlenstoffatom gegen ein Siliciumatom austauschen? Was ändert sich dadurch im Molekül?
Kohlenstoff und Silicium sind beides Elemente der Gruppe 14 des Periodensystems. Dadurch ähneln sie sich in vielerlei Hinsicht, haben aber andererseits auch unterschiedliche Eigenschaften.
Das wären im Einzelnen:

Valenzelektronen - Beide Elemente haben vier Valenzelektronen und haben analoge Valenzelektronenkonfiguration. Beim Kohlenstoff bilden die 2s- und 2p-Orbitale die Valenzschale. Beim Silicium sind des die 3s- und 3p-Orbitale.

Bindungslängen - Typische Kohlenstoff-Kohlenstoff-Bindungen sind 1.54 Angström lang. Das Siliciumatom ist größer und bildet deshalb längere Bindungen. So beträgt eine typische Si-C-Bindung z.B. 1,89 Angström und eine Si-Si-Bindung 2,33 Angström. Dadurch besitzen Silicium enthaltende Verbindungen eine größere Flexibilität. Solche Verbindungen können andere Konformationen einnehmen als die Kohlenstoffanaloga. Das führt bei Silicium enthaltenden Verbindungen zu veränderten Wechselwirkungen mit Proteinen und es wurden veränderte pharmakologische Profile und eine andere Pharmakodynamik beobachtet.

Abbildung: Typische Bindungslängen von Kohlenstoff und Silicium in Angström.


Elektronegativität - Silicium ist deutlich elektropositiver als Kohlenstoff. Kohlenstoff bildet mit einer Elektronegativität von 2,55 viele kovalente Bindungen. Silicium hat eine Elektronegativität von 1,9 und man findet eine andere Bindungspolarisation mit typischen Bindungspartnern wie Kohlenstoff oder Sauerstoff. Hier bildet Silcium immer den positiven Bindungspartner. Bindungsstärke und Reaktivität der Silicium enthaltenen Verbindungen ist daher häufig anders als die der Kohlenstoffanaloga.

Abbildung 2: Bindungspolaritäten von Kohlenstoff bzw. Silicium enthaltenden Verbindungen.

Koordinationszahl - Kohlenstoff tritt in den Koordinationszahl 4, 3 und 2 auf. Die Koordinationszahl 4 bedeutet sp3-Hybridisierung am Kohlenstoff und vier Einfachbindungen. Koordinationszahl 3 ist mit sp2-Hybridisierung verbunden und ermöglicht zwei Einfachbindungen und eine Doppelbindung. Koordinationszahl 2 bedeutet schließlich sp-Hybridisierung am Kohlenstoff. Dabei können entweder eine Einfach- und eine Dreifachbindung von diesem Atom ausgehen oder zwei Doppelbindungen.
Im Unterschied dazu kann Silicium die Koordinationszahlen 4, 5 und 6 ausbilden. Die Koordinationszahl 4 ist genau wie beim Kohlenstoff mit sp3-Hybridisierung und vier Einfachbindungen verbunden. Die Koordinationszahlen 5 und 6 kann man formal durch Hinzunahme von d-Orbitalen in den Hybridisierungszustand erklären. Allerdings wird diese simple Erklärung durch neuere Untersuchungen widerlegt. Starke elektrostatische Wechselwirkungen und 3-Zentren-4-Elektronenbindungen  sind besser zur Erklärung geeignet (Dietmar Stalke und Holger Ott: "Was Chemiker aus der Elektronendichte lernen", Nachrichten aus der Chemie 56, 2008, 131–135). Es wurde auch ein "Ball-in-the-Box" Modell vorgeschlagen, welches eine einfache und einleuchtende Erklärung für dieses Phänomen liefert (Pierrefixe, Fonseca Guerra, Bickelhaupt: Hypervalent Silicon versus Carbon: Ball-in-a-Box Model, Chemistry - A European Journal 14,2008, 819–828).
Ein weiterer  Unterschied ist, dass Silicium keine stabilen Verbindungen mit Doppel- und Dreifachbindungen ausbildet. (Klar gibt es auch hier wieder Ausnahmen, wenn man das Silicium mit riesigen Substituenten "zumauert", kriegt man auch eine Si=Si-Doppelbindung hin. Das sind aber keine "gewöhnlichen" Verbindungen, die man etwa als Medikamente benutzen könnte.)

Abbildung 3: Typische Koordinationszahlen und formale Hybridisierung von Kohlenstoff bzw. Silicium enthaltenden Verbindungen ("KZ" = Koordinationszahl). Für genauere Erklärungen siehe Text.

Lipohilie - Grundsätzlich zeigen Silicium-enthaltende Verbindungen eine erhöhte Lipophilie im Verlgeich zu den analogen Kohlenstoff-Verbindungen. Dies kann man mit den unterschiedlichen Kovalenzradien erklären. Diese Eigenschaft bietet interessante Ansatzpunkte für das Design verbesserter Pharamaka, die eine andere Pharmakokinetik aufweisen als die Kohlenstoffanaloga. Diese betrifft inspesondere Pharmaka, die einem Abbau in der Leber unterliegen. Bei Silicium-enthaltenden Pahrmaka wurde im Vergleich zu den Kohlenstoff-Analoga eine deutlich verlängerte Halbwertzeit beim Abbau in der Leber beobachtet. Verbesserte Lipohilie ist vermutlich ebenfalls bei Medikamenten nützlich, die die Blut-Hirn-Schranke überwinden sollen. Daher sind Silcium-analoge Verbindungen interessante Kandidaten für verbesserte Medikamente.

Gegenwärtig gibt es nur eine sehr kleine Zahl von Silicium-enthaltenden Verbindungen, die tatsächlich für pharmazeutische Anwendungen untersucht werden. Einzig Silicone werden in großem Umfang für medizinische Anwendungen genutzt (siehe z.B. André Colas und Jim Curtis: "Silicone Biomaterials: History and Chemistry" und "Medical Applications of Silicones" Reprinted from Biomaterials Science, 2nd Edition oder X. Thomas: "Silicones in Medical Applications").

Im weiteren Posts werden demnächst interessante Beispiele für Silicium enthaltende Medikamente vorgestellt.

Quelle: Katja A. Strohfeldt: Essentials of Inorganic Chemistry - For Students of Pharmacy, Pharmaceutical Sciences and Medicinal Chemistry, Wiley 2015.



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