Samstag, 26. Mai 2018

The truth is out there - in electron density

Die Wahrheit steckt in der Elektronendichte


Die Quantentheorie der Atome in Molekülen ("QTAIM") wird vielfach benutzt, um Bindungsverhältnisse zwischen Atomen zu analysieren. Mit dieser Methode bekommen wir Informationen darüber, wie zwei Atome in einem Molekül miteinander verbunden sind. Wir können Atombindungen, Ionenbeziehungen, Donor-Akzeptor-Wechselwirkungen und schwache intermolekulare Wechselwirkungen voneinander unterscheiden. Die Methode beruht auf einer Analyse der Elektronendichteverteilung in einem Molekül. Informationen über die Elektronendichteverteilung erhalten wir entweder aus quantenchemischen Berechnungen oder aus hoch aufgelösten Kristallstrukturdaten. Zentraler Gedanke dieser Methode ist, das Auffinden und die Analyse des bindungskritischen Punktes zwischen zwei Atomen. Dabei handelt es sich um das lokale Minimum (den Sattelpunkt) in der Elektronendichteverteilung zwischen den beiden beteiligten Atomen. Die Methode liefert numerische Werte über die Elektronendichte am bindungskritischen Punkt, die zweite Ableitung der Elektronendichte („Laplacian“) und verschiedene weitere Werte zur Charakterisierung der Elektronendichteverteilung. Außerdem können wir grafische Darstellungen erzeugen, welche die Elektronendichteverteilung im Molekül bildlich wiedergeben.

Hier einige Beispiele für die grafische Darstellung der Elektronendichteverteilung in einem Molekül. Dafür verwendet man sehr gern die "Laplace-Verteilung". Das sind Darstellungen der zweiten Ableitung der Elektronendichte. Diese zeigt sehr gut die lokale Anhäufung (durchgezogene Linien) oder Verarmung an Elektronendichte an (gestrichelte Linien). Die erste Abbildung zeigt einen Schnitt durch die Molekülebene des Ethylens. Zwischen den Wasserstoffatomen und den Kohlenstoffatomen sieht man überall mehrere durchgezogene Linien. Wie auf einer Landkarte zeigen die einen "Berg" von Elektronendichte an. Das ist das typische Bild für kovalente Bindungen. Zwischen den Atomen wird Elektronendichte akkumuliert.

Abb. 1: Laplaceverteilung im Ethylen.

Abbildung 2 zeigt die Elektronendichteverteilung in Lithiumfluorid. Das Lithium ist an Elektronendichte verarmt. Ringsherum sieht man nur gestrichelte Linien. Dagegen hat das Fluoratom viel Elektronendichte in einem engen Bereich um den Atomkern herum akkumuliert. Im Gegensatz zum ersten Beispiel ist auf der Kernverbindungslinie zwischen beiden Atomen gar keine Elektronendichteanhäufung zu sehen. Die Elektronenhüllen beider Atome sind kugelförmig. Das ist das typische Aussehen bei ionischen Bindungsverhältnissen.
Abb. 2: Laplaceverteilung in Lithiumfluorid.

Ammoniak (NH3) und Borwasserstoff (BH3) bilden ein Addukt. Es handelt sich um einen weissen Feststoff der Formel H3NBH3. Die Verbindung wird als Amminboran oder Borazan bezeichnet. Die Abbildung 3 zeigt einen Schnitt durch dieses Molekül in der Kernverbindungslinie zwischen Bor- und Stickstoffatom. In der Peripherie des Moleküls sieht man Elektronendichteanhäufung zwischen den Atomen Wasserstoff und Stickstoff. Hier liegt eine kovalente Bindung vor. Das Stickstoffatom hat viele durchgezogene Linien um siche herum. Es thront auf einem Berg von Elektronendichte und hat mit Sicherheit die höchste negative Ladung in diesem Molekül. Um das Boratom herum sind nur gestrichelte Linien zu sehen. Diese zeigen eine Verarmung an Elektronendichte an. Zwischen dem Wasserstoff- und dem Boratom befindet sich eine Anhäufung von Elektronendichte. Diese bricht aber in der Nähe des Boratoms plötzlich ab. Solche Wechselwirkungen werden oft als "intermediate Type" zwischen ionisch und kovalent beschrieben. Aber für eine qualifizierte Aussage ist hier auf jeden Fall eine genauere Analyse der numerischen Parameter notwendig. 
Bei diesem Molekül möchte ich vor allem auf die Wechselwirkung zwischen dem Stickstoffatom und dem Boratom hinweisen: Entlang der Kernverbindungslinie zwischen beiden Atomen wird ausgehend vom Stickstoffatom Elektronendichte akkumuliert. Man "sieht" hier gleichsam die Donorwirkung des Stickstoffatoms auf das elektronenarme Boratom! Das ist ein schönes Beispiel für eine Donor-Akzeptor-Wechselwirkung.

Abb. 3: Laplaceverteilung im Addukt aus NH3 und BH3.

p.s. Ich benutze gern die AIM-Methode. Auf Grundlage der Elektronendichteverteilung in einem Molekül liefert sie klare Aussagen zu den Bindungsverhältnissen zwischen den Atomen. Auch intermolekulare Wechselwirkungen können mit dieser Methode klassifiziert werden.

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