Dienstag, 29. Dezember 2009

Gefälschte oder zurückgezogene Artikel, manipulierte Daten und schlechte Wissenschaft - ein Rückblick auf das Jahr 2009.

Unter der Überschrift "2009: A Year for Faked Science" findet man auf dem Blog "Carbon Based Curiosities" eine Zusammenstellung schlechter Wissenschaft aus dem abgelaufenen Jahr. Hier einige Tiefpunkte daraus:
  • 12 häufig zitierte Proteinstrukturen aus der PDB wurden zurückgezogen, aus verschiedenen Gründen die hier aufgelistet sind.
  • Zwei Artikel aus Science und JACS von der Arbeitsgruppe um Peter Schultz vom Scripps Research Institute in La Jolla, Californien wurden zurückgezogen. Der Sachverhalt wurde in Science erwähnt, fand deutlichere Kommentare in verschiedenen Blogs (Everyday Scientist, Thescientist.com/blog) und es gibt auch einen aufschlussreichen Insiderbericht. Der 2004 veröffentlichte Artikel wurde bis vor kurzem von Kollegen als wissenschaftlicher Durchbruch bezeichnet. Mit Hilfe der darin beschriebenen Methode sollte es möglich sein, Zucker an genau definierte Stellen von Proteinen zu befestigen. Die Methode bestand darin, eine Transfer-RNA herzustellen, die selektiv eine modifizierte Aminosäure bindet. Diese Aminosäure enthält bereits das Zuckermolekül und sollte während der Proteinsynthese in E. coli in das Protein mit eingebaut werden.
  • Mehr als 70 Kristallstrukturen in Acta Crystallographica C und E wurden zurückgezogen! Von zwei Arbeitsgruppen wurden von tatsächlich existierenden Strukturen Atome ersetzt, die Zellkonstanten ein wenig verändert und die so manipulierten Daten als neue Kristallstrukturen veröffentlicht. Die Sache wurde zuerst von Ton Spek entdeckt, als er Prüfprogramme für die Acta Cryst-Zeitschriften testete. Bei den gefälschten Strukturen handelt es sich um organische und metallorganische Verbindungen. Zusammenstellungen der zurückgezogenen Artikel findet man hier und hier.
  • Schließlich wurden im November 2009 vertrauliche E-Mails zwischen dem Leiter der Climatic Research Unit (CRU) der University of East Anglia, Phil Jones, dem an der Pennsylvania State University arbeitenden Michael E. Mann und anderen Klimaforschern von Hackern ins Internet gestellt. Phil Jones und Michael Mann wird aufgrund der E-Mails vorgeworfen, wissenschaftliche Daten manipuliert bzw. geheimgehalten zu haben, sowie Absprachen zur Unterdrückung von Artikeln von Skeptikern der globalen Erwärmung getroffen zu haben. Eine kurze Fassung der Geschehnisse gibt es bei Wikipedia in Deutsch, ausführlichere Informationen in Englisch. Einige Details:
    • "I've just completed Mike's Nature [the science journal] trick of adding in the real temps to each series for the last 20 years (ie, from 1981 onwards) and from 1961 for Keith's to hide the decline." (zitiert nach Telegraph.co.uk) Der Ausschnitt aus der E-mail von Phil Jones vom 16. Nov. 1999 bezieht sich vermutlich auf die Veröffentlichung eines Diagramms der Durchschnittstemperaturen auf der nördlichen Hemisphäre in den letzten tausend Jahrens. Die Kurve ist in die Literatur als "Hockeyschlägerkurve" eingegangen und wird seit längerem heftig diskutiert.
    • "I can't see either of these papers being in the next IPCC report. Kevin and I will keep them out somehow — even if we have to redefine what the peer-review literature is!" (zitiert nach Telegraph.co.uk) In der E-mail von Phil Jones an Michael Mann vom 8. Juli 2004 wird angedeutet, dass wissenschaftliche Artikel mit abweichender Meinungen unterdrückt werden sollen. Dabei handelt es sich vor allem um Artikel die die Existenz einer globalen Erwärmung negieren.
    • "The fact is that we can't account for the lack of warming at the moment and it is a travesty that we can't... Our observing system is inadequate" (zitiert nach Telegraph.co.uk) Die E-mail stammt von Prof. Kevin Trenberth (US National Center for Atmospheric Research) an Michael Mann vom 12 Oktober 2009. Prof. Trenberth scheint ein Hauptargument der Gegner der globalen Erwärmung zu akzeptieren - dass es keinen Beweis dafür gibt, dass die Temperaturen in den letzten zehn Jahren gestiegen sind.

Samstag, 19. Dezember 2009

Das Syntheseportal

Am 11. Dezember habe ich im Blog ja schon einmal laut darüber nachgedacht, ob es zuverlässige Synthesevorschriften für die Anorganische Chemie im Internet gibt. Nicht so richtig, nicht ausreichend oder nicht kostenlos, war die ziemlich unbefriedigende Antwort.

Inzwischen bin ich zu dem Schluss gekommen, dass etwas dagegen getan werden sollte. Ich habe ein Internetportal mit Arbeitsvorschriften für die Synthese anorganischer Verbindungen konzipiert. Offen für jedermann soll es sein. Man kann dort nicht nur kostenlos Synthesevorschriften abrufen, sondern es gibt auch die Möglichkeit, eigene Arbeitsanleitungen hochzuladen und so der Allgemeinheit zugänglich zu machen.

Mit Unterstützung von Kolleginnen und Kollegen habe ich jetzt angefangen ein solches Portal aufzubauen. Die Adresse lautet www.synthesechemie.com, vorerst beschränken wir uns auf die anorganische Synthesechemie. Das Konzept kann aber bei Bedarf auch auf organische Verbindungen angewandt werden.

Vorläufige Kategorien zur Einteilung sind folgende:

  1. Komplexverbindungen
  2. Festkörpersynthesen
  3. metallorganische Verbindungen
  4. Ligandsynthesen
  5. Ausgangsstoffe, Laborhilfsmittel
  6. Aufarbeitung von Rückständen
Schauen Sie sich das doch einmal an. Vielleicht finden Sie dort etwas Interessantes für die eigene Arbeit. Falls nicht, sollten Sie die fehlende Synthesevorschrift so bald als möglich hochladen! Ich werde diese dann auf die Webseite stellen.

Samstag, 12. Dezember 2009

Chemiestudenten in der Öffentlichkeit

Chemiestudenten haben offensichtlich eine ziemlich schlechte Presse. Wenn der Bergriff "Chemiestudent" in einer Pressemitteilung auftaucht, dann geht es meist um Verletzungen, Verstümmelungen, Tod oder Drogenherstellung. Ein paar Beispiele an dieser Stelle:
  • "Chemiestudent von explodierendem Kaugummi getötet: Kiew, Experimente mit seinem Kaugummi haben einen Chemiestudenten in der Ukraine das Leben gekostet..." (Thurgauer Zeitung, 10. 12. 2009)
  • "Chemiestudent stellt illegal Anabolika her: Ein Chemiestudent aus dem nördlichen Landkreis Passau hat sich mit der Herstellung von Anabolika ein illegales Zubrot verdient..." (Augsburger Allgemeine vom 11. 06. 2008)
  • "Mannheim - Chemiestudent vertrieb Drogen im Internet: Nach einem Bericht von N24.de hat ein Chemiestudent aus Mannheim synthetische Drogen, die er aus China, Indien und den Niederlanden erhielt, online verkauft..." (siehe auch Meldung vom 04. 09. 2007 bei www.netzeitung.de)
  • "Das bisher größte Drogenlabor in Bayern konnten Rauschgiftfahnder des Bayerischen Landeskriminalamtes (LKA) am 26.09.06 in der Wohnung eines 24-jährigen ehemaligen Chemiestudenten in Fürth sicherstellen..." (Meldung vom 29. 09. 2006 bei www.bamberg-guide.de)
  • "Chemiestudent sprengt Plattenbau-Wohnung: Der 20Jährige wurde schwer verletzt. Er hatte offenbar zu Hause experimentiert. In Chemnitz ist ein 20jähriger Chemiestudent bei einer Explosion schwer verletzt worden. Der junge Mann hatte offenbar in seiner Wohnung mit Chemikalien experimentiert..." (Pressemeldung von AP, 30.10.2004)
  • "Helsinki - Kaufhaus-Bomber diskutierte im Netz über Sprengstoff: Der 19-jährige Chemiestudent hatte sich am Freitagabend in einem stark besuchten Einkaufszentrum in Helsinki in die Luft gesprengt. Er riss dabei sechs Menschen mit in den Tod..." (Von AFP 15. 10. 2002)
Ich weiss leider auch nicht, was man gegen dieses schlechte Image tun kann...

Freitag, 11. Dezember 2009

Anorganische Synthesechemie

Gibt es eigentlich zuverlässige Synthesevorschriften im Internet? Eine kurze Recherche ergibt Folgendes:

LambdaSyn - die deutschsprachige Synthesensammlung, mit einer Vielzahl von vor allem organischen Synthesen und einigen Naturstoffgewinnungen. Die Verbindungen sind übersichtlich nach Namen sortiert und die CAS-Registry Nummern sind auch angegeben. Es gibt noch eine ältere Version des LambdaSyn-Vorschriften als PDF-Dokument.

Folgende Diskussion bei ChemieOnline gibt ziemlich gut die Situation wieder. Dort fand ich auch einen Link zu www.sciencemadness.org/library. Diese Seite enthält überwiegend Links zu sehr alten Chemiebüchern. Darunter ist auch ein Link zu einer alten englischsprachigen Version des Brauer ("Handbook of Preparative Inorganic Chemistry", Academic Press, New York 1963). Das ist natürlich schon ein Schnäppchen! Allerdings ist mir das mit dem Copyright in diesem Fall nicht so ganz klar, also an dieser Stelle meine obligatorische Warnung: Laden Sie dieses Buch nicht herunter! Lesen Sie es auf keinen Fall!

Weiterhin gibt es noch www.versuchschemie.de, dort steht aber doch mehr der Unterhaltungswert für junge Menschen im Vordergrund. Zitat der Seitenbetreiber: "... ist Versuchschemie.de heute eine Schatzkammer für die naturwissenschaftlich interessierte Jugend."

Das Chemikalien-Lexikon bietet wie der Name schon sagt mehr allgemeine Informationen rund um chemische Verbindungen (Eigenschaften, Gewinnung, Reaktionen, Verwendung usw.).

Daneben gibt es inzwischen Tausende von Dissertationen als PDF-Dokumente online verfügbar. Obwohl diese ebenfalls von Google und anderen Suchmaschinen erfasst werden, ist es allerdings nahezu unmöglich aus diesem Fundus gezielt einzelne Vorschriften herauszusuchen.

Natürlich existieren hervorragende Synthesevorschriften von professionellen Anbietern, die haben aber ihren Preis, bzw. sind nur über eine Universtitätsbibliothek zugänglich. Da hätten wir den "Houben-Weyl", der inzwischen nur noch in Englisch erscheint und "Science of Synthesis" heisst (Preis für einen Einzelband: $3600!). Von Inorganic Syntheses sind inzwischen 34 Bände erschienen, allerdings ebenfalls in Englisch und für Preise zwischen 60 und 130 €.

Ich denke es ist Zeit für ein Internet-Portal mit Synthesevorschriften, Arbeitsanleitungen, und Versuchsvorschriften für die Anorganische Synthesechemie.