Mittwoch, 21. November 2012

Supramolekulare Verbindungen - vom Spielzeug zum Werkzeug


In den achtziger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts betrachtete man die supramolekulare Chemie etwas lächelnd als Spielplatz der Organiker. Damals probierten diese große neuartige Strukturen aufzubauen, für die es zwar Vorbilder im Legokasten, aber nicht unbedingt in der Natur gab. Inzwischen ist diese Disziplin, vielleicht noch nicht erwachsen, aber auf jeden Fall ernst zu nehmen. Die Bauprinzipien der supramolekularen Chemie sind einerseits aus der Koordinationschemie entlehnt, indem man mehrfach funktionalisierte Liganden mit geeigneten Metallatome zu Komplexverbindungen verknüpft. Andererseits werden auch aus der Natur bekannte Wecheselwirkungen genutzt, wie z.B. Wasserstoffbrückenbindungen.

Aber vielleicht der Reihe nach. Zunächst erst einmal: Was ist supramolekulare Chemie? Man versteht darunter die Chemie jenseits des Moleküls oder anders ausgedrückt die Chemie der intermolekularen Wechselwirkungen, also der Wechselwirkungen zwischen verschiedenen Molekülen. Moleküle "erkennen" einander durch eine komplizierte Kombination von geometrischen und chemischen Faktoren. Die eingängigste und bekannteste Erklärung der molekularen Erkennung ist wohl das "Schlüssel-Schloss-Prinzip". Dieses Prinzip wurde bereits 1894 von Emil Fischer für die Wechselwirkung von Enzymen mit Substraten formuliert. Genau dieses Schlüssel-Schloss-Prinzip liegt auch den supramolekularen Wechselwirkungen zwischen verschiedenen Molekülen zugrunde. Wenn zwei Moleküle einen supramolekularen Komplex bilden sollen, so müssen sie geometrisch zueinander passen und überdies geeignete Gruppen für gegenseitige Wechselwirkungen besitzen. Solche Wechselwirkungen können z.B. Wasserstoffbrückenbindungen, Halogen-Halogen-Wechselwirkungen, pi-pi-Wechselwirkungen zwischen Aromaten oder Komplexbildungsreaktionen zwischen Metallkationen und geeigneten organischen Ligandmolekülen sein. Die entstehenden Strukturen können sehr unterschiedliche Topologien, also Verknüpfungen der Bausteine, aufweisen. So gibt es zwei- und dreidimensionale Netzwerke, Helices und alle möglichen anderen denkbaren Varianten. Die nachfolgende Abbildung zeigt nur einige Varianten auf.

quadratisches zweidimensionales
Netzwerk
hexagonales zweidimensionales
Netzwerk
dreidimensionales 
Netzwerk
Helix

Es gibt inzwischen durchaus vielversprechende Anwendungen supramolekularer Verbindungen. Anwendungen, die vielleicht mit konventionellen Molekülen nicht erreicht werden können. Gerade wenn es um "Erkennung" von Molekülen im Sinne eines analytischen Nachweises geht, können supramolekularen Verbindungen anderen Problemlösungen überlegen sein . Dazu nachfolgend einige Beispiele aus der Literatur.
An dieser Stelle werden bewusst keine chemischen Formeln oder Reaktionsgleichungen benutzt, sondern nur einige Illustrationen eingesetzt. Wer es genauer wissen will, schaut bitte in die angegebene Originalliteratur. 



Detektion von Explosivstoffen
TNT und andere nitrierte Aromaten können mit geeigneten rein organischen supramolekularen Einheiten detektiert also nachgewiesen werden. Wichtig im Antiterrorkampf!

Fluorescent Porous Polymer Films as TNT Chemosensors:  Electronic and Structural Effects; J. Am. Chem. Soc., 120, 1998, 11864–1187.
Detection of Explosives with a Fluorescent Nanofibril Film; J. Am. Chem. Soc., 129, 2007, 6978–6979.




Die Abtrennung von Actinoiden und Lanthanoiden aus nuklearem Abfall
ist ein sehr wichtiges Thema. Egal ob es sich um Abfälle aus einem Reaktorunfall oder um die routinemässige Aufarbeitung von Rückständen aus der Kerntechnik handelt, ein wirklich selektiv funktionierendes Verfahren zur Abtrennung einzelner Elemente wäre höchst willkommen.
‘CMPO-substituted’ calix[4]arenes, extractants with selectivity among trivalent lanthanides and between trivalent actinides and lanthanides; Chem. Commun., 1998, 1627-1628.
Multicoordinate ligands for actinide/lanthanide separation;
Chem. Soc. Rev., 36, 2007, 367-377.




Andere Anwendungen im Bereich der Umwelanalytik sind ebenfalls möglich und werden in diesem Übersichtsartikel ausführlich besprochen: Supramolecular complexation for environmental control (M. Teresa Albelda , Juan C. Frías , Enrique García-España and Hans-Jörg Schneider, Chem. Soc. Rev., 41, 2012, 3859-3877)




Von supramolekularen Verbindungen zu MOF

Die in den letzten Jahren so hoch geschätzten MOFs ("Metal Organic Frameworks") sind auch nichts anderes als supramolekulare Verbindungen. Hier ein Link mit weiter führenden Informationen: Synthese und Anwendungen von mit supramolekularen Templaten hergestellten mesoporösen Materialien (Jackie Y. Ying, Christian P. Mehnert, Michael S. Wong: Angewandte Chemie, 111, 1999, 58–82)




Ein Ausblick in die Zukunft, also was man alles mit supramolekularen Verbindungen noch so anstellen kann zeigt der Artikel von Euan R. Kay, David A. Leigh Prof., Francesco Zerbetto: Synthetische molekulare Motoren und mechanische Maschinen
Angew. Chem. 2007, 119, 72 – 196.



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