Samstag, 20. Mai 2023

Fake Research Awards

Schon wieder ein paar Forschungspreise gewonnen

Nach "Predatory Publishing" und "Predatory Conferences" scheint das Verleihen wertloser Forschungspreise (Fake Research Award) eine neue Einnahmequelle für unseriöse Anbieter zu sein. Den Adressaten wird ein Forschungspreis angeboten. Diesen erhalten sie für irgendeine ihrer Publikationen verliehen.

Eine ausführliche Dokumentation und Analyse dieser Masche findet man auf der Webseite www.evscienceconsultant.com.

Hier Beispiele für E-Mails, die ich in den letzten zwei Monaten erhalten habe, nicht nur einmal, sondern mehrfach immer wieder der gleiche Text (Inhalt leicht gekürzt).

p.s.: Ich werde diese Preise NICHT annehmen.

 


Beispiel 1

Dear Author, 

We are delighted to inform you that you have been provisionally selected for the Best Researcher Award at the upcoming International Research Awards on New Science Inventions. We believe that your remarkable contributions to the field make you an excellent candidate for this prestigious award. Nomination for the award is currently open, and we encourage you to submit your research profile for consideration. To submit your nomination, please click on the following link and provide the required details. Nomination Link: https://x-i.me/mon23 

We appreciate your dedication and hard work towards advancing scientific research. Note: Submission is peer-reviewed by editorial members. Warm Regards, The Organizing Committee, International Research Awards on New Science Inventions. 

Reference: Two polymorphs of the title compound have been isolated. Polymorph (I) crystallizes in the monoclinic space group P21/n and polymorph (II) in the tetragonal space group I41/a. ...   [usw. der Abstract einer Veröffentlichung von mir]



Und gleich noch ein Internationaler Preis wurde mir angeboten:

Asia International Research Awards 2023 To ... ASTRA 2023 || On 1st July 2023 || Grandeur Hall @Breeze Residency || Trichy, Tamil Nadu, India 

We are pleased to notify you that the Asia Research Awards, in association with Times of Research and the World Research Council, are expecting you for ASTRA 2023.(Asia's Science, Technology, and Research Awards). There is no change in date and selection. You have won Asia's Outstanding Researcher Award for your excellence in, "Synthesis, crystal structure, and spectroscopic properties of ..."  [usw. der Titel einer Veröffentlichung von mir]

PROCEDURE: 
1. Fill out the form in the link: https://asiaresearchawards.com/nomination/ 
2. Kindly make the delegate fee on or before 20th April 2023 as follows: SNO DELEGATE FEE 1 INDIAN DELEGATE 8,500 INR 2 FOREIGN DELEGATE 225 USD (or) 225 EUR 
 3. If you are unable to attend the ceremony after confirming the delegate fee, your kit will be delivered to you via Courier.
4. This is the final selection and you can change the award title by emailing us your profile. 

Advantages: 
1. Winner's Memento in the Concerning Award Category. 
2. Grand Winner Medal. 
3. Winner's Badge. 
4. A Red-Carpet Interview for Wide Distribution. 
5. Esteemed Bonafide Letter. 
6. A full page in the Times of Research. 
7. Winners' Profiles are Featured on Our Website. 
8. A Photo and Video Glimpse of the Award Presentation. 
9. Membership in the World Research Council. 
10. Dinner for networking. 



Beispiel 3

Dear Author, 

We are delighted to inform you that you have been provisionally selected for the Best Researcher Award at the upcoming International Research Award on Nuclear Physics. We believe that your remarkable contributions to the field make you an excellent candidate for this prestigious award. 

Nomination for the award is currently open, and we encourage you to submit your research profile for consideration. To submit your nomination, please click on the following link and provide the required details. 

 Nomination Link: https://x-i.me/sondnucle3 

We appreciate your dedication and hard work towards advancing scientific research. 

Note: Submission is peer-reviewed by editorial members. 

Warm Regards, The Organizing Committee, International Research Award on Nuclear Physics. 

Reference: Two polymorphs of the title compound, C20H23N3O2, have been isolated.  ...   [usw. der Abstract einer Veröffentlichung von mir]


Abbildung: Hieronymus Bosch "Die Versuchung des heiligen Antonius" (Ausschnitt). Quelle:  Dguendel, Lisbon, Museum Nacional de Arte Antiga, Hieronymus Bosch, the Temptation of Saint Anthony-3, CC BY 4.0

Samstag, 11. Februar 2023

New Cyclopentadienyl Complexes

Neue Cyclopentadienylkomplexe

Aus sentimentalen Gründen verfolge ich die Chemie der Metallocenkomplexe. Hier einige der neuesten Entwicklungen auf diesem Gebiet.

Cyclopentadienylliganden gewährleisten eine elektronische und sterische Absättigung von Übergangsmetallionen. Die Eigenschaften der Cyclopentadienylliganden können dabei durch geeignete Substituenten variiert werden. Bekannt sind z.B. der Pentamethylcyclopentadienyl-Ligand (C5Me5- = Cp*) oder der ganz ähnlich wirkende Ethyltertramethylcyclopentadienyl-Ligand. Solche hoch alkylierten Cp-Liganden sind elektronenreiche pi-Donorliganden und können Übergangsmetallkomplexe in hohen Oxidationsstufen stabilisieren. 

Dagegen gibt es kaum Komplexverbindungen mit Akzeptor-substituierten Cp-Liganden. Mit diesen könnten gezielt elektronenarme Komplexverbindungen hergestellt werden. Es gibt einige wenige Komplexverbindungen mit C5F5-, z.B. [Ru(C5Me5)(C5F5)] (J. Am. Chem. Soc. 1992, 114, 14, 5895–5897) und [Fe(C5H5)(C5F5)] (J. Am. Chem. Soc. 2015, 137, 1, 126–129). 

Der Penta(trifluormethyl)cyclopentadienyl-Ligand [C5(CF3)5]- ist sterisch ähnlich anspruchsvoll wie Cp*, aber deutlich elektronenärmer. [C5(CF3)5] wurde 1980 erstmals hergestellt (J. Am. Chem. Soc. 1980, 102, 6633–6634). Bis vor kurzem gab es keine Komplexe mit diesem Liganden! Nunmehr gelang erstmals eine Komplexbildung mit [C5(CF3)5]- in Form des Rhodiumkomplexes [Rh(COD)(C5(CF3)5)]. Die Abbildung 1 zeigt die Strukturformel und die räumliche Darstellung der Molekülstruktur. Allerdings ist dieser elektronenarme Cp-Ligand äußerst schwach gebunden und wird bereits durch Toluol verdrängt! Der Cp-Ligand bildet dabei ein schwach koordinierendes Anion. Die experimentellen Beobachtungen werden durch eine Bindungsanalyse bestätigt: [C5(CF3)5]- hat im Vergleich zu Cp* eine stark verringerte pi-Donorfähigkeit. Die Komplexverbindung wurde in Angew. Chem. Int. Ed. 2022, 61, e202211147 beschrieben.

Abbildung 1:  Rhodiumkomplex mit dem Liganden [C5(CF3)5]-. Abbildung der Molekülstruktur aus den CIF-Daten generiert (GERLAU from CCDC).

 


 

Der zweite Eintrag zeigt, was fünffach substituierte und sterisch hoch anspruchsvolle Liganden leisten können. Uran bildet Bindungen mit 5f- und 6d-Orbitalen. Das erlaubt Uranionen vielseitige Bindungsmodi und flexible Koordinationspolyeder (Nachrichten aus der Chemie 55, 2007, 1195-1199). Koordinationszahlen von 6-8 treten häufig auf. 

Mit dem Penta(iso-propyl)cyclopentadienyl-Liganden [C5(i-Pr)5]- wurde ein Metallocen des Urans hergestellt. Die Verbindung U[C5(i-Pr)5]2 kann mit Kaliumgraphit zum Anion U[C5(i-Pr)5]2- reduziert werden. Damit liegt Uran zum ersten Mal in der Oxidationsstufe +1 vor. Als Gegenion wirkt dabei ein Kaliumion, welches mit 2.2.2-Kryptand komplexiert wird. Die Abbildung 2 zeigt das Strukturdiagramm dieser Verbindung und eine Darstellung der Molekülstruktur. Die Molekülstruktur zeigt schwere Fehlordnungen an: Das Uran-haltige Anion ist fehlgeordnet, der Ligand des Kations ist fehlgeordnet und das enthaltene Lösungsmittelmolekül ist ebenfalls fehlgeordnet - der Alptraum des Kristallografen. (Es ist eben nicht alles so einfach, wie es manchmal dargestellt wird.) Trotzdem ist die Struktur der Verbindung damit eindeutig bestätigt und eröffnet neue Perspektiven in der Chemie der Actinoide. Die Komplexverbindung wurde in J. Am. Chem. Soc. 2022, 144, 18229−18233 beschrieben.


 



 Abbildung 2: Uankomplex mit dem Liganden [C5(i-Pr)5]. Abbildung der Molekülstruktur aus den CIF-Daten generiert (FEPTON from CCDC).

Samstag, 31. Dezember 2022

The Smartphone Zombie Song

Abschied von 2022

begehen wir heute mit dem Smombie-Song:

 

Smombie

Spiel mit Deinem Handy
den ganzen Tag.
Sprich mit niemandem
weil ich es sag.

[Refrain:] Youtube, Whatsapp, Twitter,
kein Netz hier, das ist bitter.

Die Treppe rauf,
die Treppe runter,
starr nur auf Dein Handy
da ist alles bunter.

Schick mir ‘ne Whatsapp,
reicht komplett aus.
Sprichst nicht mit mir,
gehst niemals raus.

Voll konzentriert im Tunnel
spricht Dich einer an.
Rollst die Augen und fragst,
ob er kein Facebook kann.

Liest kein Buch und keine Zeitung,
suchst Dir ‘ne Blase und kriechst rein.
Hast keine eigne Meinung,
bist ganz für Dich allein.

Mami spielt grad Candy Crush,
Kinderwagen rollt davon,
Tram saust um die Kurve,
das Baby knallt auf den Beton.

 

Text von U.B.
unter Mitwirkung von M.C.B.

Abbildung: „Immer noch kein Netz“ sagte Alice, „das wird ja ein richtiger Alptraum.“

Samstag, 26. November 2022

New on the Bookshelf – Part 14

Alexander Kraft schrieb ein Buch über das Berliner Blau. Der Untertitel lautet „Vom frühneuzeitlichen Pigment zum modernen Hightech-Material“. Es hätte aber auch „Kulturgeschichte des Berliner Blaus“ heißen können. In den ersten drei Kapiteln des Buches wird die Entdeckungsgeschichte dieses Pigmentes erzählt. Die gesellschaftlichen Umstände werden in separaten Unterkapiteln erläutert. Das erleichtert dem Leser das Verständnis der Verhältnisse dieser Zeit. Kapitel 4 zeichnet die weltweite Verbreitung des Berliner Blaus im 18. Jahrhundert nach. Kapitel 5 behandelt die Entwicklung der Produktionstechnologie und neue Anwendungsfelder wie die Cyanotypie. Im letzten Kapitel wird Berliner Blau als modernes Hightech-Material vorgestellt. Zusätzliche Abschnitte über Berlinerblau als Familienname und die Erwähnung des Pigmentes in der Literatur runden das Buch ab. 

Fazit: Die umfassende Monographie zum Berliner Blau. 

 

         

 

"Ragins Weg" von Reinhold Goldmann ist eine Mischung aus Autobiografie, wissenschaftlicher Biografie und vermischten Meinungen und Gedanken zur Geschichte, der Geschichte der Naturwissenschaften und ausgewählten Themen der Chemie. Das Layout des Buches ist etwas eigenwillig. Das liegt sicher daran, dass es im Verlag tredition erschienen ist. Dieser bietet Selfpublishing an.
Eigenwillig ist auch der Inhalt mit zahlreichen assoziativen Sprüngen von einem Thema zum anderen.
Auf jeden Fall ist das Buch kurzweilig zu lesen und bietet einfache verständliche Erklärungen für chemische Sachverhalte. 

Samstag, 5. November 2022

Predatory Publishing?

MDPI Special Issues - Eine Geldmaschine?

Diese Frage wird von Da-Wen Sun aufgeworfen. Er hat seit Januar 2021 mehr als 200 Einladungen erhalten, bei Special Issues (Sonderhefte) vom Verlag MDPI mitzuwirken. Er hat das auf seinem LinkedIn-Profil dokumentiert. Das führt ihn zu der Frage, ob diese Sonderhefte allein dazu dienen sollen Geld für den Verlag einzunehmen. 

Der Verlag MDPI ist wegen seiner Geschäftspraktiken umstritten:

 

Abbildung: Alice fragt die Raupe, was sie von MDPI hält. Originalillustration von John Tenniel (Quelle: Wikimedia Commons)


Samstag, 22. Oktober 2022

Scamference

Scam + Conference = Scamference

Diese Wortschöpfung fand ich auf der Webseite "For Better Science". Sie beschreibt ziemlich gut die Aktivitäten einiger kommerzieller Tagunsgorganisatoren deren einziges Ziel es ist, Geld mit Tagungen zu erwirtschaften. Die neuste Masche besteht darin per E-Mail wertlose Medaillen und andere Preise anzubieten. Eine solche Medaille wurde mir kürzlich offeriert. Ich habe diese "Ehre" nicht angenommen. 

Auf "For Better Science" findet man mehr Informationen zu diesem Thema: Forschungspreis "IAAM Scientist Award and Medal" - Tiwari’s IAAM honours Magdeburg.

Im weiteren Verlauf der Prozedur wird dann ziemlich bald die Rechnung gestellt: "IAAM Medal" Asks for Payment of €459 von Da-Wen Sun.


Hier noch die Kopie der Erinnerungs-E-Mail:



Dear Dr. XXXX, Greetings from Ulrika, Sweden. 

We are happy to inform you that the deadline of abstract submission is extended until 31 August 2022. Please accept this gentle reminder to submit your abstract within extended deadline to deliver your IAAM Scientist Medal Lecture at the Advanced Materials World Congress, 11 – 14 October 2022, Stockholm, Sweden (AMWC, www.advancedmaterialscongress.org/world). The abstract template and submission guidelines can be found at https://www.advancedmaterialscongress.org/world/pages/call-for-abstracts The AMWC will be organized with Onsite - Online LIVE hybrid setups. Please feel free to choose your mode of presentation either onsite or online depending on your convenience. We are looking forward to receiving your abstract within the due date. 

With sincere appreciation, Dr. S. Patra 

Program Director International Association of Advanced Materials Gammalkilsvägen 18, 590 53 Ulrika, Sweden Tel: (+46) 1313-2424 Web: www.iaamonline.org 

 


Abbildung: Alice kann sich kaum retten vor den vielen Tagungseinladungen.. Originalillustration von John Tenniel (Quelle: Wikimedia Commons)


Über Tagungsorganisation und Open-Access als Geschäftsmodell hatte ich bereits in mehreren Posts berichtet, siehe unter diesem Link.




Samstag, 17. September 2022

New on the Bookshelf – Part 13

"The Science and Business of Drug Discovery - Demystifying the Jargon" von Edward D. Zanders. Wie der Titel schon sagt, bemüht sich der Autor darum, den Fachjargon zu erklären. Das Buch konzentriert sich auf verschreibungspflichtige Medikamente. Als Hintergrundinformation wird in einem einleitenden Kapitel etwas Molekülchemie vorgestellt: von kleinen organischen Molekülen bis zu Makromolekülen. Die Teile 2 und 3 des Buches sind der Pipeline der Medikamentenentwicklung gewidmet. Das ist der Schwerpunkt des Buches. Die Teile 4 und 5 besprechen verschiedene Aspekte der pharmazeutischen Industrie. 

Fazit: Wer sich für Medikamentenentwicklung interessiert, sollte dieses Buch nutzen. 

 

       

 

"Toxikologie für alle - Wann ist ein Stoff gefährlich?" Taschenbuch von Helmut und Heidrun Greim. Ziel der Autoren ist es, „… die Grundprinzipien der Toxikologie nachvollziehbar darzustellen, damit man auch als Laie abschätzen kann, ob eine mögliche Gesundheitsgefährdung vorliegt.“ Das ist ein guter Vorsatz. Die Autoren erklären zunächst zum Verständnis notwendige Grundlagen (Dosis-Wirkungs-Beziehungen, Exposition, Risikoabschätzung, Grenzwerte). In Teil B wenden sie sich den Organen und Organsystemen zu. Dort werden jeweils Toxikologie, Störungen durch toxische Substanzen und mögliche Krankheitsfolgen besprochen. Das ist übersichtlich und meist gut verständlich geschrieben. In Teil C werden spezielle Fragestellungen behandelt. Hier tauchen viele aktuelle Themen auf: Nitrat in Trinkwasser, Tätowierungen, Mikroplastik, Feinstaub, … u.v.a. 

Fazit: Ziel erreicht! Das Buch bietet dem interessierten Laien einen guten Überblick über relevante Themen der Toxikologie. 

 

Samstag, 3. September 2022

New on the Bookshelf – Part 12

Neu in der Bibliothek 

 “Organometallic Chemistry - Fundamentals and Applications” von I. Haiduc und L. Silaghi-Dumitrescu bietet eine erfrischende Alternative zu anderen Titel auf diesem Gebiet. Das Buch hat Lehrbuchcharakter, „introductory textbook“ schreiben die Autoren. So fasst z.B. der Abschnitt über Lithiumorganyle die wichtigsten Informationen auf zwei Seiten zusammen. Grignardverbindungen werden auf einer Seite erklärt. Dafür werden aber auch exotischere Metallorganyle z.B. vom Berllylium, Calcium und Barium besprochen. Bei der Gruppe 14 werden Zinn- und Bleiorganyle ausführlich dargestellt. Silicium und Germanium werden als Nichtmetalle angesehen und nicht behandelt. Die Übergangsmetallorganyle (Part III) sind nach Ligandklassen sortiert (Zweielektronenliganden, Dreielektronenliganden, … usw.). Eine Stärke des Buches sind die Anwendungen von metallorganischen Verbindungen in der organischen Synthese (Part IV). Heck-, Stille-, Negishi-, Sonogashira- und andere Kupplungen werden darin beschrieben. 

Fazit: Ein Blick in das Buch lohnt sich und bietet dem Leser durchaus überraschende Einblicke. Es kann aber sein, dass Sie nicht alles dort finden, was Sie suchen. 

         

 

Organic and Inorganic Fluorine Chemistry - Methods and Applications” von Axel Haupt ist eine umfassende Monographie zur modernen Fluorchemie. Es beginnt mit elementarem Fluor, Fluorwasserstoff und Festkörperstrukturen einfacher anorganischer Fluorverbindungen. Die Anorganische Fluorchemie (Part B) ist nach den Gruppen des Periodensystems gegliedert. Besonders übersichtlich und einprägsam sind die Reaktionsschemata zu den einzelnen Elementen. In Part C (Organische Fluorchemie) liegt der Fokus auf den Eigenschaften und Anwendungen. Im Weiteren werden dann die Synthesen nach organischen Verbindungsklassen sortiert besprochen. 

Fazit: Die grundlegende Monografie für alle, die mit Fluorverbindungen arbeiten.

Samstag, 5. Februar 2022

The strongest magnet

Der stärkste Magnet

Eine neue Klasse von Molekülen soll dreimal stärker magnetisch sein, als alle bisher hergestellten Magnete. Darüber berichte eine Arbeitsgruppe von der University of California. Es handelt sich dabei um zweikernige Komplexverbindungen der Lanthanoide Gadolinium, Dysprosium oder Terbium. Die beiden Seltenerdelemente werden durch hoch substituierte Cyclopentadienylliganden abgeschirmt. Dadurch werden stabile Verbindungen ermöglicht. Die beiden Zentralatome werden durch drei Iodatome verbrückt (sieh Abbildung 1). 

  Abbildung 1: Allgemeine Strukturformel der molekularen Supermagnete.

 

Es handelt sich um eine gemischtvalente Verbindung. Formal ist eines der beiden Lanthanoidionen dreifach positiv, das andere zweifach positiv geladen. Vereinfacht ausgedrückt, haben die beiden Lanthanoidionen damit ein Elektron übrig, welches nicht für eine Bindung zu einem der Liganden benötigt wird. Mit diesem Elektron bilden sie eine Lanthanoid-Lanthanoid σ-Bindung aus. Dieses ungepaarte σ-Elektron sorgt dafür, dass sich die (ungepaarten) f-Elektronen beider Lanthanoide alle gleich ausrichten. Dadurch entsteht ein high-spin-Grundzustand für das Molekül mit einer grossen magnetischer Anisotropie. Das Molekül wird dadurch extrem stark magnetisch.

  • Originalmitteilung: C. A. Gould, K. R. McClain, D. Reta, J. G. C. Kragskow, D. A. Marchiori, E. Lachman, E.-S. Choi, J. G. Analytis, R. D. Britt, N. F. Chilton, B. G. Harvey, J. R. Long: "Ultrahard magnetism from mixed-valence dilanthanide complexes with metal-metal bonding", Science 2022, 375, 198-202. DOI: 10.1126/science.abl5470
  • Bericht in Spektrum.de vom 20.01.2022.

Das Molekül ist nicht nur clever konstruiert, sondern auch ästhetisch (siehe Abbildung 2). Die Penta(iso-propyl)cyclopentadienylliganden (schwarz) schirmen die Lanthanoidionen (pink) weitgehend räumlich ab. Beide Molekülfragmente werden durch die drei Iodidionen (hellgrün) zusammengehalten. Diese Konstellation ermöglicht erst die Ausbildung der Ln-Ln-Wechselwirkung, die durch ein einzelnes Elektron realisiert wird.


Abbildung 2: Molekülstruktur eines molekularen Supermagneten aus der Publikation Science 2022, 375, 198-202 (Abbildung erzeugt aus dem Datensatz CCDC-2097930 mit der Software Mercury).


Abbildung 3: Kalottendarstellung der Molekülstruktur eines molekularen Supermagneten aus der Publikation Science 2022, 375, 198-202 (Abbildung erzeugt aus dem Datensatz CCDC-2097930 mit der Software Mercury).


Abbildung 3 zeigt alle Atome mit ihren van-der-Waals-Radien. Diese spiegeln in realistischer Weise die Raumerfüllung der Atome in diesem Molekül wider. Man sieht sehr schön, wie die Lanthanoid-Ionen durch die Liganden abgeschirmt werden. 

 

Kommentar: Die hier vorgestellte Publikation ist eine hoch aktuelle Forschungsarbeit. Die hergestellten Lanthanoidkomplexe dürften hydrolyse- und luftempfindlich sein und müssen vermutlich unter Schutzgas gehandhabt werden. Ich denke, von möglichen Anwendungen sind diese Arbeiten noch weit entfernt.

 



Weiterführende Literatur:


Samstag, 15. Januar 2022

To get the Crystalline Sponge into Water

Kristalline Schwämme in Wasser

Über die "Crystalline Sponge Method" hatte ich bereits zweimal berichtet (Einträge von 2013 und 2016). Inzwischen gibt es auf diesem Gebiet neue Entwicklungen. Ein Problem bei dieser Methode war bisher die Zersetzung der Wirtsmoleküle durch basische Gastmoleküle oder protische Lösungsmittel. Eine Arbeitsgruppe um de Gelder hat mehr als zehntausend Kristallisationsexperimente (!) ausgeführt und dabei neue Wirtsmoleküle entwickelt, die auch in Methanol, Wasser und basischen Lösungsmitteln wie Pyridin stabil sind. Dazu verwendeten Sie unter anderem den unten abgebildeten Linker und synthetisierten metallorganische Gerüstverbindungen (MOF) mit Lanthanoid-Elementen. Bei den Lanthanoiden, die die Linker verbinden, handelt es sich hauptsächlich um Gadolinium, in einzelnen Fällen wurde auch Holmium, Cer und Dysprosium verwendet. Erste Strukturanalysen dieser MOF mit verschiedenen Gastmolekülen wurden publiziert. 

Die dazu gehörende Veröffentlichung finden Sie in:  W. de Poel, P. Tinnemans, A. L. L. Duchateau, M. Honing, F. P. J. T. Rutjes, E. Vlieg, R. de Gelder: The Crystalline Sponge Method in Water , Chem. Eur. J. 2019, 25, 14999.

 

Links: Eines der verwendeten Linkermoleküle zur Erzeugung kristalliner Schwämme. Rechts: Ausschnitt aus einem kristallinen Schwamm mit dem Gastmolekül Carvon in blau.

Die oben rechts dargestellte Strukturformel gibt keinen besonders guten Einblick in die Struktur der Verbindung. Daher ist unten noch eine Ansicht der Kristallstruktur zu sehen. Die Gadoliniumatome sind an sehr viele Sauerstoffatome koordiniert (grüne Polyederdarstellungen in der Abbildung). Diese sind im Kristallgitter zu dimeren Einheiten verknüpft. Das erkennt man an den beiden grünern Polyedern in der Mitte des Bildes. Das Kristallgitter wird durch die Linkermoleküle zusammengehalten. Zusätzlich enthält die Struktur noch Dimethylformamid. Dieses ist teilweise am Gadolinium koordiniert, scheint aber noch weitere Plätze im Kristall zu besetzen. Das Gastmolekül Carvon habe ich rot dargestellt. In der Ansicht sind jeweils zwei Moleküle Carvon hintereinander zu sehen, deshalb ist das auch an dieser Stelle etwas unübersichtlich. Das ist eine recht komplexe Struktur.


Abbildung: Darstellung der Kristallstruktur eines Gadoliniumkomplexes aus der Publikation Chem. Eur. J. 2019, 25, 14999 in seiner Funktion als kristalliner Schwamm (Abbildung erzeugt aus dem Datensatz CCDC-1880741 mit der Software Mercury). 


Anmerkung: Die Strukturanalysen der Wirt-Gast-Komplexe scheinen teilweise problematisch zu sein. In den Supporting Information zu dieser Publikation findet sich bei einem Teil der Strukturanalysen der Hinweis, dass während der Strukturverfeinerung "...Restelektronendichtemaxima gefunden wurden, die nicht sinnvoll interpretiert werden konnten. Diese wurden mit der SQUEEZE-Prozedur von PLATON behandelt." (sinngemäß übersetzt nach Supporting Information zur Publikation) Das bedeutet, vereinfacht gesagt, die nicht interpretierbaren Teile der Strukturanalyse wurden herausgerechnet. 

Kommentar: Die Methode beinhaltet einen relativ hohen Aufwand (Synthese des Linkermoleküls, Synthese eines geeigneten kristallinen Schwammes für den Gast mit einem Lanthanoid-Element, Erzeugung von Einkristallen mit dem Gast). Außerdem funktioniert zwar die Strukturanalyse in den vorgestellten Fällen, liefert aber teilweise problematische Ergebnisse bei den Strukturanalysen. 

Fazit: Die kristallinen Schwämme bieten eine hoch spezialisierte Methode der Strukturanalyse, die sich in der Breite möglicherweise nicht durchsetzen wird. 



 

Wer sich weiter über diese Methode informieren möchte, kann den kürzlich erschienen Review-Artikel in der Angewandten Chemie nutzen:  N. Zigon, V. Duplan, N. Wada, M. Fujita: Crystalline Sponge Method: X-ray Structure Analysis of Small Molecules by Post-Orientation within Porous Crystals—Principle and Proof-of-Concept Studies, Angew. Chem. Int. Ed. 2021, 60, 25204


Samstag, 17. Juli 2021

Protonated toluene and the mysterious borate anion

Protoniertes Toluen und das Geheimnis der Borations

Protoniertes Toluen ist selten. Normalerweise besitzt Toluen (oder veraltet Toluol) die Zusammensetzung C7H8. Es besteht aus einem aromatischen Ring mit sechs Kohlenstoffatomen und einer Methylgruppe. An der Methylgruppe sind drei Wasserstoffatome gebunden an fünf Atomen des Sechsringes jeweils ein Wasserstoffatom. So wie es in der Abbildung 1 links dargestellt ist.  Kürzlich wurde eine Verbindung isoliert, die ein protoniertes Toluenmolekül enthält. Die Summenformel des Kations ist dann C7H9-. Dieses ist in Abbildung 1 rechts dargestellt. Durch die Addition eines Protons (H+) wird das aromatische System des Sechsringes gestört und das Kation versucht sich über die dargestellten mesomeren Grenzstrukturen zu stabilisieren. 

Abbildung 1: Toluen (links) und mesomere Grenzstukturen von protoniertem Toluen (rechts).  

Die Protonierung von Toluen gelingt nur mit einer extrem starken Säure ("Supersäure"). Diese Säure ist H[B(SiCl3)4]. Als Gegenion zum protonierten Toluen liegt dann das Tetrakis(trichlorsilyl)boration vor. Beide Ionen gemeinsam wurden in einer Kristallstrukturanalyse nachgewiesen. In Abbildung 2 sind beide Ionen dargestellt.

 Abbildung 2: Kation und Anion der Strukturanalyse von [C7H9]-[B(SiCl3)4]+.

 

Wie das geheimnisvolle Boration entsteht, welche Eigenschaften es hat und wie die Verbindung H[B(SiCl3)4] nachgewiesen wurde, erfahren Sie in folgender Publikation: 

Samstag, 26. Juni 2021

New on the Bookshelf - Part 11

"Unendliche Weiten: Kreuz und quer durchs Chemie-Universum" Wiley-VCH 2017, herausgegeben von Thisbe K. Lindhorst, Hans-Jürgen Quadbeck-Seeger und der Gesellschaft Deutscher Chemiker.

Die GDCh hat sich dieses Buch aus Anlass von 150 Jahren chemische Gesellschaften in Deutschland selbst geschenkt. Es hat etwas mehr als 200 Seiten im Großformat und bietet einen umfassenden Überblick über viele Aspekte der Chemie und deren Anwendungen. Der Band ist sehr schön illustriert. Die Vielfalt der Themen überrascht und überfordert zunächst beim flüchtigen Durchblättern: Biotechnologie, Bioraffinerie, Genetik, Nuklearchemie, Informationstechnologie, Polymere, Lebensmittelchemie – all das und noch mehr wird in separaten Kapiteln behandelt. Für den sorgfältigen Leser empfiehlt es sich, zunächst ein Kapitel auszuwählen und dieses zu lesen. Mit Gewinn so hoffe ich.


Samstag, 24. April 2021

New on the Bookshelf - Part 10

The ABC’s of Science” von Giuseppe Mussardo. 

Seit langem wieder einmal ein populärwissenschaftliches Buch. Die Kapitel haben Anfangsbuchstaben von A bis Z. Das wirkt an einigen Stellen etwas bemüht, zum Beispiel bei „Pauli. An Odd Couple“ oder „Quantum. Erwin’s Version“. Damit sind wir auch gleich beim Inhalt: Jedes Kapitel behandelt wichtige Abschnitte aus dem Leben von Wissenschaftlern und deren Ringen um Erkenntnis. Viele Kapitel beinhalten physikalische Probleme, es kommen aber auch andere Wissensgebiete vor. Kernspaltung ist eines der zentralen Themen im Buch. Ganz witzig ist die „Klassifikation von Physikern“ nach Landau. 

Der Titel des Buches ist vielleicht nicht so glücklich gewählt. Mit dem Stichwort „ABC’s of Science“ findet man bei online-Buchhändlern sehr viele Kinderbücher. Daher hier der direkte Link zum besprochenen Buch. 

Fazit: Anspruchsvolle Lektüre für den Sommerurlaub. 

 

Samstag, 10. April 2021

New on the Bookshelf - Part 9

The Periodic Table: Nature's Building Blocks - An Introduction to the Naturally Occurring Elements, Their Origins and Their Uses” von J. Theo Kloprogge, Concepcion P. Ponce und Tom Loomis. 

Der Titel des Buches ist etwas sperrig. Was verbirgt sich dahinter? 

Es handelt sich um eine umfassende Monograpie, die die 92 natürlich vorkommenden Elemente des Periodensystems behandelt. Zu jedem Element gibt es ein Kapitel. Dieses gliedert sich wiederrum im Entdeckung, Bergbau / Gewinnung, wichtige Minerale, Chemie, wichtige Anwendungen. Ungewöhnlich ist hier vor allem, dass Minerale so ausführlich behandelt werden, mit farbigen Abbildungen und zusätzlichen Textboxen. Die Abschnitte über die Chemie der Elemente sind sehr kompakt. Vor allem die Zusammenstellung der Anwendungen macht dieses Buch zu einem wertvollen Nachschlagewerk, welches auch für seltene Elemente grundlegende Informationen liefert. Das Buch hat ca. 900 Seiten, eng bedruckt und ist sehr schwer. 

Fazit: Ein wertvolles Nachschlagewerk mit grundlegenden Informationen über die chemischen Elemente.

Samstag, 30. Januar 2021

The Graphical Abstract

Die Kunst des Abstracts

Viele chemische Fachzeitschriften nutzen für ihr Inhaltsverzeichnis grafische Abstracts. Dabei handelt es sich um eine visuelle Darstellung des Inhalts eines wissenschaftlichen Artikels. In anderen Disziplinen wird der grafische Abstract bisher wenig genutzt. 

Chemie ist eine visuelle Wissenschaft. Viele Sachverhalte lassen sich durch Strukturen und Strukturformeln ausdrücken. Daher ist es kein Wunder, dass grafische Abstracts hauptsächlich in der Chemie und angrenzenden Wissenschaften genutzt werden. Die Angewandte Chemie war 1976 die erste Zeitschrift die grafische Abstracts regelmäßig in ihre Inhaltsverzeichnisse integrierte. Die International Edition der Angewandten übernahm das 1977. Tetrahedron Letters verwendeten die grafischen Abstracts seit 1986, Chemical Communications seit 1994 und Journal of the American Chemical Society erst 2002. 

Was sind die Funktionen eines grafischen Abstracts? 

Einmal soll er die Aufmerksamkeit des Lesers auf diesen Artikel lenken. Dafür braucht man ein auffälliges grafisches Element, einen Blickfang. Dieser muss nicht einmal etwas mit Chemie zu tun haben, es reicht aus, Neugier zu erzeugen (Abbildung 1). 



 Not a fidget spinner! Thiocyameluric acid C6N7S3H3, the tri‐thio analogues of cyameluric acid, is a key compound for the synthesis of new s‐heptazine (tri‐s‐triazine) derivatives. Here, two different routes for the synthesis of thiocyameluric acid and its reaction to tris(aryldithio)‐ and tris(alkyldithio)cyamelurates C6N7(SSR)3 are reported as well as transformation to alkali metal thiocyamelurates M3[C6N7S3], M=Na, K.

Abbildung 1: Graphical Abstract in Anlehnung an eine Publikation in Chemistry – A European Journal

 

 

Zum anderen stellt der grafische Abstract im Idealfall das wichtigste Ergebnis einer Arbeit dar, sozusagen die Quintessenz oder Take-Home-Message eines Artikels. Hier schießen manche Autorenteams über das Ziel hinaus: Es ist kaum möglich eine vielstufige Synthesesequenz in einen grafischen Abstract zu quetschen, dann wird man nichts mehr erkennen können (Abbildung 2).
Weitere Beispiele für grafisch übertriebene Abstracts findet man hier.

 


A Synthesis of Oxymorphon from ready available sources. Oxymorphone is indicated for the relief of moderate to severe pain, such as treatment of acute post surgical pain.

Abbildung 2: Hypothetischer Graphical Abstract mit einer mehrstufigen Synthese.

 

Ebenso wenig ist es sinnvoll, das Bild einer Strukturanalyse aus der Publikation einfach zu verkleinern und in den grafischen Abstract zu packen (Abbildung 3). Häufig kann man auch da nichts mehr erkennen. 


The heteroscorpionate ligand 2,2-bis­(3,5-di­methyl­pyrazol-1-yl)-1,1-di­phenyl­ethanol and an easy preparation of its tungsten complex

Abbildung 3: Graphical Abstract in Anlehnung an eine Publikation in Acta Cryst C.

 

Eine klare, einfach zu erkennende Grafik ist oft die beste Lösung für den grafischen Abstract (Abbildung 4).

 


Light it up: In-situ cryo crystallization and structure analysis reveal the solid state structures of several pyrophoric hydridosilanes.

Abbildung 4: Graphical Abstract einer Publikation in Chemistry Open

 

Grafische Abstracts funktionieren nicht nur in gedruckten Zeitschriften, sondern helfen Lesern auch beim Durchscrollen der Inhaltsverzeichnisse auf dem Bildschirm. Als Leser muss man dann nicht unbedingt nach Stichworten oder Autorennamen suchen, sondern kann sich von den Grafiken inspirieren lassen. Die Entwicklung geht weiter und einige Zeitschriften bieten inzwischen auch Animationen und Videos in ihren Inhaltsverzeichnissen an (table of contents – TOC) an. 

 

Der Eintrag beruht zum großen Teil auf einem Artikel in Nature Chemistry. Hier der Link zum Originaltext.

Samstag, 16. Januar 2021

Pyrophoric Hydridosilanes

Pyrophore Hydridosilane

Hydridosilane sind gefährliche, aber faszinierende Verbindungen mit interessanten Anwendungsmöglichkeiten. Hydridosilane bestehen nur aus Silicium und Wasserstoff. Diese Moleküle sind hoch reaktiv, so sehr, dass sie an der Luft sofort anfangen zu brennen. Verbindungen die an der Luft brennen nennt man "pyrophor". Aber gerade diese hohe Reaktivität macht Hydridosilane für verschiedene Anwendungen interessant. So wurde der Einsatz von Hydridosilanen als Raketentreibstoffe diskutiert  (B. Hidding et al.: Recent activities in silicon hydride
research in Europe
, 2011, 17th AIAA International Space Planes and Hypersonic Systems and Technologies Conference 2011. Reston, VA., 2287.)


Die Verbrennung eines solchen Silans an der Luft ist in nachfolgendem Video sehr schön zu sehen. Es handelt sich dabei um eine Probe in einer Glaskapillare mit einem Durchmesser von 0.5 mm. Was hier verbrennt sind nur etwa 5 Mikroliter!

 

 Video: Verbrennung eines flüssigen Silans an der Luft
(Video von Georg Franze, Musik von Musicfox)


 

Zum anderen wurden in den letzten Jahren verschiedene Verfahren entwickelt, bei denen diese Verbindungen als Ausgangsstoffe für Halbleiter genutzt werden. Dabei muss man nicht mehr aufwändig riesige Siliciumeinkristalle aus der Schmelze kristallisieren, diese in Scheiben zersägen und die Scheiben dann weiterverarbeiten. Nein, flüssige Hydridosilane kann man direkt mit einem Tintenstrahldrucker zu Halbleiterstrukturen drucken (T. Shimoda et al.: Solution-processed silicon films and transistors, Nature 2006, 440, 783-786.). 

Ganz so einfach ist es natürlich nicht, man muss erst eine entsprechende Tinte aus dem Hydridosilan herstellen, man braucht einen geeigneten Drucker für industrielle Anwendungen und man muss bei allen Prozessschritten die Luft fernhalten. Dazu nutzt man sogenannte Gloveboxen. (Kapitel Gloveboxen im Buch Inertgastechnik). Der fertige Halbleiterbaustein kann dann aber an der Luft gehandhabt werden. Die Halbleiterstrukturen können mit Hydridosilanen gezielt auf die verschiedensten Substrate gedruckt werden, zum Beispiel auf Kunststoffe oder sogar flexible Folien. Das eröffnet ganz neue Anwendungsmöglichkeiten, denken Sie nur an elektronisch lesbare Warenlabel oder flexible Displays!

In einer Publikation, die vor wenigen Monaten erschien, haben wir die Strukturen mehrerer flüssiger Hydridosilane durch in-situ Cryokristallisation bestimmt. Obwohl diese Verbindungen teilweise schon seit 100 Jahren bekannt sind, ist es noch niemand gelungen, die Einkristallstrukturanalysen (Link Vorlesung) dieser Verbindungen zu bestimmen! Die erhaltenen Strukturparameter ermöglichen uns einen Einblick in die Struktur und Bindungsverhältnisse dieser Verbindungen. (M. Gerwig et al.: Syntheses and Molecular Structures of Liquid Pyrophoric Hydridosilanes, ChemistryOpen 9 (2020) 762-773.)

Ausserdem konnten wir aus einem Hydridosilan Halbleiterstrukturen erzeugen. Das Hydridosilan wurde mit Spin-coating abgeschieden. Aus dem abgeschiedenen Silicium wurde ein Dünnfilmtransistor hergestellt. Die Publikation dazu ist soeben erschienen: M. Gerwig et. al: From cyclopentasilane to thin film transistors, Advanced Electronic Materials, 2020, 2000422, page 1-13.

Montag, 21. Dezember 2020

Thank You for the Music

 Wortspiele in der Angewandten Chemie

In der Angewandten Chemie finden wir seltsame Titelbilder und hin und wieder auch Wortspiele in den Abstracts. Letztere beziehen sich des öfteren auf Musiktitel. Hier ein paar Beispiele:

Als Bandnamen wurden ausserdem "Right Said Fred" und "Ace of Base" zitiert. Die Hoch-Zeit dieser Mode scheint zwischen 2007 und 2010 gewesen zu sein, in den letzten Jahren ist mir so etwas nicht mehr aufgefallen. Die Anspielungen sieht man meist nur in der englischsprachigen Ausgabe der Angewandten Chemie. Im englischsprachigen Raum wurde dieser Humor durchaus gewürdigt, wenngleich auch mit geteiltem Echo. Unten einige Links zum Weiterlesen... 




Wer noch andere Wortspiele findet, schreibt gern einen Kommentar zu diesem Post. 

Ansonsten: Frohe Weihnachten!


Samstag, 17. Oktober 2020

Bogus Conferences

Tagungsorganisation als Geschäftsmodell - Teil 3

Über Einladungen zu dubiosen wissenschaftlichen Konferenzen hatte ich bereits zweimal berichtet (im Februar und Mai 2019). Das Geschäftsmodell der "Fake Conferences" oder "Bogus Conferences" scheint immer noch zu florieren. Unbeeindruckt von Covid-19 erhalte ich weiterhin jede Woche Einladungen zu wissenschaftlichen Konferenzen. Für Interessenten, die sich weiter über dieses Thema informieren wollen, hier eine Zusammenstellung relevanter Webseiten:

  

Das Kaninchen lädt Alle zu einer Konferenz ein und hofft auf einen ordentlichen Gewinn. (Quelle der Vorlage: Wikimedia Commons)

Samstag, 10. Oktober 2020

To be on "The Cover of the Rolling Stone"

Auf der Titelseite

Dr. Hook besang bereits 1972 die Genugtuung, wenn das eigene Bild auf der Titelseite einer Zeitschrift erscheint. In diesem Fall ging es um die Musikzeitschrift Rolling Stone. Sinngemäß geht der Text des Songs so: "... Es ist der tollste Nervenkitzel, wenn Dein Foto auf die Titelseite des "Rolling Stone" erscheint. Ich will mein Bild auf der Titelseite sehen, ich werde gleich fünf Hefte für meine Mutter kaufen..."
Ähnlich scheint es einigen Wissenschaftlern zu gehen, die großen Wert darauf legen, dass ihre wissenschaftlichen Arbeiten auf der Titelseite einer renommierten Fachzeitschrift promotet werden. Die Grafiken sollen den Inhalt des Artikels illustrieren und werden im Allgemeinen von den Wissenschaftlern selbst erstellt. Dabei kommt es schon manchmal zu schlecht gemachten Titelbildern mit fragwürdigen Assoziationen. Chemiker sind eben keine Grafiker und wissen häufig nicht so recht, wie man eine ansprechende Grafik gestaltet. (Ich weiß es übrigens auch nicht.)

Fiktive Titelseite einer fiktiven Zeitschrift zur Illustration eines Artikels.

Zweifelsohne steigert ein Titelblatt die Sichtbarkeit der eigenen Arbeiten. Aber einige Überlegungen geben zumindest zu denken, ob diese Art der Promotion sinnvoll ist:

In manchen Zeitschriften gibt es bis zu vier "Titelbilder". Das sind Titelbild, Innentitelbild, Innenrücktitelbild und Rücktitelbild. Die Autoren werden aufgefordert die Titelbilder selbst zu erstellen, eine redaktionelle Bearbeitung der Titelbilder findet bei den meisten Zeitschriften nicht statt. Wenn jede Ausgabe einer Zeitschrift bis zu vier Titelbilder hat, ist das dann gar nicht mehr etwas so Besonderes? 

Hinzu kommt, dass die Autoren für jedes veröffentlichte Titelbild einen Beitrag zu den Produktionskosten bezahlen müssen. Diese unterscheiden sich je nach Zeitschrift und können bis zu 1495 US-Dollar betragen. Handelt es sich dabei nicht eher um eine Methode, um mit der Zeitschrift etwas mehr Ertrag zu erwirtschaften? (Bei einigen wenigen Zeitschriften müssen die Autoren nichts für das Cover bezahlen, so zum Beispiel bei Nature Chemistry.)

Schließlich  muss man noch bedenken, dass Fachzeitschriften kaum noch gedruckt zu den Lesern gelangen. Entweder scrollen die Leser die Zeitschriften auf dem Bildschirm durch oder sie erschließen sich die Fachliteratur mit geeigneten Fachdatenbanken und Suchmaschinen. Beim Scrollen auf dem Bildschirm sticht ein gut gemachtes Cover natürlich schon ins Auge und vermag die Aufmerksamkeit der Leser auf sich zu ziehen. Aber die gleiche Funktion haben eigentlich die Graphical Abstracts.


Anregung für diesen Post lieferte der folgende Artikel: "Making The Cover - Scientific art on journal covers raises visibility, but does it still serve a purpose in the Internet age?" von Stephen K. Ritter (Chemical and Engineering News  2006, Volume 84, Seiten 24-27). Ein Teil der Argumente habe ich von dort übernommen.


Und schließlich hier noch das Original von Dr. Hook and the Medicine Show:

Samstag, 3. Oktober 2020

The Art of Cover

Die Kunst des Titelbildes

Titelseiten wissenschaftlicher Zeitschriften haben mehrere Funktionen. Sie sollen Appetit auf die Zeitschrift machen, sie dienen den Autoren zum bekannt machen ihrer Arbeiten, die Autoren können damit ihre Vorträge aufpeppen und - seien wir ehrlich - damit ein wenig angeben. Außerdem verdienen die Verlage ein wenig Geld damit, dass sie Cover entsprechend den Wünschen und Vorstellungen der Autoren veröffentlichen. Das Geschäft läuft für beide Seiten (Autoren und Verlage) so gut, dass manche Verlage inzwischen bis zu vier (!) Titelbilder in einer Ausgabe ihrer Zeitschrift unterbringen.
Lange her scheinen die Zeiten, als der Verlag nüchtern den Titel der Zeitschrift auf den Umschlag druckte (siehe Beispiel).

Zum Design von Titelbildern gibt es zahlreiche Hilfestellungen. So publizierte  Felice Frankel ein Handbuch über Wissenschaftsfotografie, Kelly Krause berichtet darüber in Nature. Richard Threlfall schreibt in Chemistry Views "After Acceptance: How to Turn Your Research into Cover Art". Der Artikel enthält auch zahlreiche Beispiele für gelungene Cover von verschiedenen Zeitschriften. Caitlin Monney liefert "4 Tips for Designing a Scientific Journal Cover" als kleines Tutorial mit instruktiven Illustrationen aus der Medizin. Ausführlich beschreibt Sven Gramp im Online Journal of Communication and Media Technologies "The Art of Science- Making Things Popular with Scientific Journal Covers". Schließlich gibt es noch kommerzielle Angebote, die den Wissenschaftlern das Design eines professionell gestalteten Covers abnehmen, zum Beispiel hier ab 490 US-Dollar.

Dienstag, 15. September 2020

New on the Bookshelf - Part 8

Inertgastechnik - Arbeiten unter Schutzgas in der Chemie 

Die Inertgastechnik ist zur sicheren Handhabung von Katalysatoren, luftempfindlichen Zwischenprodukten oder bei der Synthese metallorganischer Verbindungen unentbehrlich. Das Buch behandelt die Grundlagen der Schlenktechnik, den Aufbau einer Inertgasanlage im Labor und das Arbeiten mit der Glovebox. Weiterhin sind Arbeitsvorschriften für Beispielpräparate und technische Zeichnungen von Glasgeräten enthalten. 

Zielstellung war es, ein Lehr- und Arbeitsbuch zu schaffen, welches einen einfachen und gut verständlichen Einstieg in die Inertgastechnik bietet. Das Buch soll die Lücke zwischen Lehrbüchern zur Anorganischen Chemie und Arbeitsvorschriften aus der Fachliteratur füllen. Es ist für Studierende im Fortgeschrittenenpraktikum, Masterstudenten und Doktoranden gedacht, die sich einen Einstieg in die Inertgastechnik erarbeiten wollen.

Das Buch ist diesen Monat erschienen. Darin habe ich meine praktischen Erfahrungen auf dem Gebiet der Inertgastechnik zusammengefasst. Seit fast dreißig Jahren vermittle ich diese Arbeitstechnik in Praktika zur anorganischen und metallorganischen Chemie. Dabei haben wir einige Vereinfachungen eingeführt und Glasgeräte entwickelt, die sich für die Studenten und Doktoranden als sehr nützlich erwiesen haben. Sie können das Buch über eine Buchhandlung Ihrer Wahl beziehen oder in der Universitätsbibliothek ausleihen.

Aus dem Inhalt:

  • Grundlagen der Schlenktechnik, 
  • Arbeit an einer Inertgasanlage und der Glovebox,
  • Trocknen von Lösungsmitteln und Gasen, 
  • Entsorgung gefährlicher Rückstände,
  • Arbeitsvorschriften für Beispielpräparate,
  • technische Zeichnungen von Glasgeräten, als Vorlagen für Glasbläser geeignet.

 

 

Samstag, 4. Juli 2020

Summer Break 2020



Es ist Sommerpause! 
Bis zum Herbst gibt es nur sporadisch neue Posts.

Im September kommt eine größere Veröffentlichung heraus. Daran muss ich noch arbeiten.
Mehr dazu an dieser Stelle, wenn es soweit ist.





Hokusai: Fuji from Gotenyama on the Tōkaidō at Shinagawa (Quelle: Wikimedia Commons)

Samstag, 23. Mai 2020

Books on Organosilicon Chemistry

Literatur über siliciumorganische Verbindungen


Im Zusammenhang mit dem letzten Post kam die Frage von Lesern auf, welche Monografien für die siliciumorganische Chemie wichtig sind. Also angenommen, als Doktorand hat man ein Thema bekommen und möchte sich erst einmal einen Überblick über die Literatur verschaffen. Dann sollten unbedingt folgende Bücher konsultiert werden:

(Wir sprechen hier nur über siliciumorganische Chemie, für andere Fachgebiete gibt es wieder andere Monografien!)

In der Reihe "The chemistry of functional groups" die zwei Bände "The Chemistry of organic silicon compounds" Volume 1, Herausgeber: S. Patai und Z. Rappoport, 1989, im Lesesaal der Bibliothek verfügbar. Die beiden Bände geben einen Überblick über den Stand der Literatur bis ca. 1988.

In der Reihe "The chemistry of functional groups" die drei Bände "The Chemistry of organic silicon compounds, Volume 2", Herausgeber: Z. Rappoport, Y. Apeloig, 1998, im Lesesaal der Bibliothek verfügbar. Die drei Bände fassen die Enwicklung des Gebietes von 1989 bis ca. 1997 zusammen.


Schließlich erschien in der gleichen Reihe ein Band "The Chemistry of Organic Silicon Compounds, Volume 3", Herausgeber: Z. Rappoport, Y. Apeloig, 2001. Dieser Band ergänzt die vorangehenden Bände um Themen, die noch nicht behandelt wurden.

In der Reihe "The chemistry of functional groups" der Band "The silicon heteroatom bond", Herausgeber: S. Patai, 1991, im Lesesaal der Bibliothek verfügbar.
 
Außerdem lohnt sich oft eine Recherche in der Reihe "Comprehensive Organometallic Chemistry". Diese gibt es inzwischen in den Ausgaben I, II und III. Jede Ausgabe deckt einen anderen Zeitraum ab. In jeder Ausgabe gibt es auch einen Band mit siliciumorganischer Chemie. Hier eine Übersicht über diese Werke:

Titel Anzahl der Bände Abdeckung der Literatur
Comprehensive Organometallic Chemistry 9 bis 1982
Comprehensive Organometallic Chemistry II 14 1982-1994
Comprehensive Organometallic Chemistry III 13 1993-2007




Zu Comprehensive Organometallic Chemistry III gibt es im Moment einen online-Zugang über die Universitätsbibliothek, siehe vorigen Post.
In den Universitätsbibliotheken gibt es diese Bücher meist nur in einem Exemplar im Lesesaal, zum dort Lesen, nicht zum Ausleihen. Der elektronische Zugang wird nur selten angeboten, vermutlich ist das zu teuer. Also muss der fleißige Leser hingehen, das Buch aus dem Regal ziehen, sich setzen und lesen. Diesmal gibt es keinen Zugang mit drei Mausklicks, da nützt auch rummaulen nichts...