Mittwoch, 16. Dezember 2015

Bad Science in 2015

Aktuelles unter dem Label "Bad Science"


Hier wieder einmal einige Aspekte schlechter Wissenschaft, schlaglichtartig, ohne Anspruch auf Vollständigkeit.



Eine Art Statusbericht zum Umgang der Universitäten mit Plagiatsanalysen auf Vroniplag findet man in der Zeitschrift Forschung und Lehre unter der Überschrift: "Viel Licht und noch mehr Schatten" (von Gerhard Dannemann und Debora Weber-Wulff, Forschung und Lehre, Ausgabe 4/2015, Seite 278). Der Fazit des Artikels lautet folgendermaßen: "Die bisherige Praxis lässt viel Licht und noch mehr Schatten erkennen. Fast alle Fälle von Kontrollversagen ließen sich vermeiden, wenn Hochschulen sich an geltendes Recht und die einschlägigen Empfehlungen der DFG hielten, auch wenn diese stellenweise präziser ausfallen könnten. Manchmal fehlt es an Personal, oft an Kenntnis der Regeln und am guten Willen. Als Bedrohung wird wohl nicht der Verstoß gegen gute wissenschaftliche Praxis empfunden, sondern dessen Bekanntwerden. Das wäre besonders fatal für die leider zahlreichen Fälle, die eine Kollusion zwischen Betreuer und Doktorand nahe legen."



Abbildung: Kupferstich zur Theosophie und Alchemie 1678 
(Quelle: Deutsche Fotothek bzw. Wikimedia Commons)


Interessant ist die Lektüre eines Diskussionspapiers der AlexandervonHumboldt-Stiftung zum "Publikationsverhalten in unterschiedlichen wissenschaftlichen Disziplinen" (Beiträge zur Beurteilung von Forschungsleistungen 12/2009). Mehrfach taucht in dem Bericht der Begriff "Ehrenautorschaft" auf. So findet man den Begriff auf Seite 8 bei der Erklärung der üblichen Reihenfolge der Autorenschaft in den verschiedenen Wissenschaftsdisziplinen: "Bei dem zuletzt genannten Autor kann es sich auch um eine Ehrenautorschaft handeln, die auch in den Beiträgen aus der Chemie (Hahn) oder den Neurowissenschaften (Noth und Rose) erwähnt wird (beispielsweise in Form der Mitnennung von Klinikdirektoren). Auch heute noch unüblich sind Ehrenautorschaften in der Mathematik (Gritzmann); in der Informatik konnten sie sich bisher nur in den USA durchsetzen (Rammig). Auch in den Geschichtswissenschaften werden Autoren in der Regel nicht aufgeführt, wenn sie keinen eigenen Anteil an der Arbeit geleistet haben (Jehne)."
Weiter heisst es auf Seite 109:  "Der Letztautor ist gewöhnlich der Leiter der Arbeitsgruppe, aus der die Ergebnisse stammen. Von ihm wird angenommen, dass er die intellektuelle Konzeption für die Arbeit geliefert hat und an ihrer Abfassung wesentlich beteiligt war. In diesem Zusammenhang ist auch das – nicht der guten wissenschaftlichen Praxis entsprechende – Phänomen der Gast- oder Ehrenautorschaft zu erwähnen. Darunter versteht man das Verfahren, dass entweder „berühmte Namen“ (Gastautorschaft) oder etwa Instituts- oder Klinikdirektoren (Ehrenautorschaft) als Autoren geführt werden, auch wenn diese keinen wesentlichen eigenen wissenschaftlichen Beitrag zur Publikation geleistet haben. "


Ich dachte die "Ehrenautorschaft" gäbe es seit dem Zusammenbruch des Ostblocks nicht mehr. Aber da war ich wahrscheinlich wieder einmal zu naiv. Zumindest in der medizinischen Forschung ist das Problem nach wie vor aktuell und in dem Artikel "Honorary and ghost authorship in high impact biomedical journals: a cross sectional survey" sorgfältig dokumentiert.
Die Empfehlungen der DFG zur "Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis" sind diesbezüglich jedenfalls eindeutig: "Empfehlung 11: Autorschaft bei Publikationen  -   Autorinnen und Autoren wissenschaftlicher Veröffentlichungen tragen die Verantwortung für deren Inhalt stets gemeinsam. Autorin oder Autor ist nur, wer einen wesentlichen Beitrag zu einer wissenschaftlichen Veröffentlichung geleistet hat. Eine sogenannte 'Ehrenautorschaft' ist ausgeschlossen."


Abbildung: Kupferstich zur Theosophie und Alchemie 1678 
(Quelle: Deutsche Fotothek bzw. Wikimedia Commons


Nun noch ein Blick auf das internationale Geschehen. Auch da gibt es interessante neue Entwicklungen. Die moderne Computertechnik ermöglicht Dinge, von denen unsere Doktorväter nicht zu träumen gewagt hätten: Mehr als 120 computergenerierte Publikationen wurden zurückgezogen. Darüber wird in der Zeitschrift Nature vom Februar 2014 berichtet.
Die Verlage Springer und IEEE (Institute of Electrical and Electronic Engineers) mussten mehr als 120 wissenschaftliche Artikel zurückziehen, nachdem ein französischer Wissenschaftler herausfand, dass es sich bei diesen Artikeln um computergenerierten Unsinn handelte.
Cyril Labbé von der Joseph Fourier Universität in Grenoble hat in den letzten Jahren zahlreiche computergenerierte Artikel identifiziert. Diese wurden zwischen 2008 und 2013 in mehr als 30 Tagungsbänden (Conference Proceedings) publiziert.  Labbé hat eine Methode entwickelt, um nach Manuskripten zu suchen, die mit der Software SCIgen erstellt wurden. Die Software kombiniert zufällig Wortgruppen und produziert damit unsinnige Artikel über computerwissenschaftliche Themen. Ursprünglich wurde die Software 2005 von Wissenschaftlern am MIT (Massachusetts Institute of Technology) entwickelt, um zu beweisen, dass Tagungsorganisatoren unsinnige Tagungsbeiträge akzeptieren. SCIgen ist frei verfügbar und es ist nicht bekannt wieviele Leute diese Software benutzen und vor allem nicht für welchen Zweck. Mit SCIgen erzeugte Manuskripte tauchen ab und zu auf, wenn Wissenschaftler unsinnige Manuskripte einreichten und das anschließend öffentlich machen.
Als Konsequenz dieser Affäre haben der Springer-Verlag und die Universität Joseph Fourier im März 2015 die Software SciDetect frei zugänglich gemacht. Damit ist es nun für Verlage und interessierte Personen leicht, möglich computergenerierte Artikel zu entdecken.



Abbildung: Kupferstich 1678
(Quelle: Chemical Heitage Foundation bzw. Wikimedia Commons)

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